Mit 285 PS auf einen Roadtrip durch das idyllische Vernier-Moor

Unter meinem Po vibriert es. Satter, tiefer Sound dringt an mein Ohr, als David Turgis den Zündschlüssel umdreht. Ich muss mich vorbeugen, um vom tiefen Sitz einen Blick über die Motorhaube auf die Straße werfen zu können. Beim leichten Tritt auf das Gaspedal wird das Röhren des edlen Stücks auf vier Rädern durchdringender – ein Traum. Verwundert, warum wir nicht los fahren, schaue ich David an. Er als Fahrlehrer schaut wiederum überrascht zurück. Auch wenn wir uns beide mangels Sprachkenntnisse nur mit Blicken und Gesten verständigen können, verstehe ich sofort. Lächelnd und mit entschuldigendem Blick lege ich schnell den Sicherheitsgurt des Mustangs an. Das hat etwas von „fasten your seatbelts“ im Flieger. Klickend rastet der Gurt ein und ich bekomme eine nickende Anerkennung vom Fahrlehrer. Zugleich legt David den ersten Gang ein und lenkt den 285 PS starken Ford Mustang gekonnt die Auffahrt hinab.

gitesinsolitesnormandie Ferienhäuser ausgefallen Normandie Urlaub reise roadtrip

Sicher lenkt der Fahrlehrer David Turges seinen Mustang

Mustang Ford Normandie Frakreich Urlaub Reise Roadtrip gitesinsolitesnormandie

Der Ford Mustang mit 285 PS macht schon beim Anblick Lust zum Fahren

Der 40jährige unternimmt gern eine Spazierfahrt mit seinem Baby. Ihn und seinen Mustang mit Baujahr 1969 kann man stundenweise mieten und durch die Normandie cruisen. Dafür hat der Mustang-Fan eigens besondere Routen ausgearbeitet, die durch sehr schöne Landstriche der Region führen. Bei 20 Liter auf 100 km ist das Luxus – aber traumhaft!

Wir starten unsere Tour von Beuzeville. Abseits gelegen befindet sich das Zuhause von David und seiner Frau Célia. Die beiden wohnen nicht nur in einem alten, normannischen Fachwerkhaus, beide haben auch ein sehr ausgefallenes Hobby: Sie lieben die guten 50er Jahre in Amerika und betreiben ein originelles Bed & Breakfast.

Ford Mustang
1 Stunde Fahrt im Mustang mit David kostet 70 €, 2 Stunden 120 € – Sprit inkl.
Übernachtung: Gites de la Pomme d’Or
 901 route de Blacquemarre , 27210 Beuzeville

Normandie Vernier Moor Roadtrip vielweib Frankreich Mustang Ford

Ein Schätzchen erster Güte: Ford Mustang Baujahr 1969

Normandie Vernier Moor Roadtrip vielweib Frankreich Mustang Ford außergewähnlich übernachten Airstrem

Célia ist Fan der 50er Jahre und bietet ausgefallene Übernachtungsmöglichkeiten an: Auch stilecht in einem Airstream

Mustang Ford Normandie Roadtrip Vernier Moor Vintagcar Oldtimer Frankreich reise urlaub ausflug besonders

Keine kleine Motorhaube mit Kühlung durch die Straßen der Normandie

Nach ausgiebiger Fotosession genießen wir unseren Roadtrip. Felder und Hügellandschaften ziehen an uns vorbei. Wir durchfahren schnuckelige Orte und Straßen mit den so typisch für die Normandie hohen Hecken. Unser Ziel ist das nah gelegene Vernier-Moor. Ganz in der Nähe von Le Havre und Rouen, oberhalb von Pont-Audemer liegt im „Naturpark der Seineschleifen“ ein reizvolles Gebiet: Die Moor- und Torflandschaft ist einzigartig. Wir fahren auf kleinen, kurvigen Straßen. Wie die Seine drehen wir unsere Schleifen und blicken auf Wiesenlandschaft und Auen, so weit das Auge reicht. Wir begeben uns auf die Route Chamières – eine über 50 km-Strecke durch ein sehr altes Stück Geschichte Frankreichs.

alte Häuser Fachwerk Normandie Frankreich Route Chamières Naturpark

Hier scheint die Zeit auf der Route Chamières im Naturpark stehen geblieben zu sein

Ich kurble das Fenster des Mustangs ein Stück herunter. Trotz Wolken weht mir angenehme Sommerluft entgegen. Meine Haare flattern im Wind, während der alte Wagen seine Kurven fährt. Aus dem Auto Fotos unverwackelt zu schießen, ist bei der Federung fast unmöglich. Also lass ich es bleiben, lehne ich mich zurück und genieße die Fahrt mit David. Andreas fährt mit uns und die beiden unterhalten sich währenddessen auf Französisch. Eine perfekte Kombi: Diese außergewöhnliche Landschaft und dabei der französischen Sprache zu lauschen.

normannisches Fachwerk Route Chaumières Normandie Frankreich Roadtrip Ausflugstipp

Normannisches Fachwerk mit Seineblick

normannisches Fachwerk Route Chaumières Normandie Frankreich Roadtrip Ausflugstipp

Können Fachwerkhäuser romantischer sein?

Das Sumpfgebiet Vernier ist eine riesige Moorlandschaft und mit 4.500 Hektar die größte in Frankreich. Es gibt tolle Wanderwege und kleine Straßen, die sich perfekt durch das Moor und Feuchtgebiet schlängeln. Ich entdecke wilde Orchideen, Rosensträucher, Reiher, ja sogar Hochlandrinder. Die, so erfahre ich von Isabelle Pigache, eigens ins Moor übergesiedelt wurden, weil sie leichter sind und nicht einsacken.
Isabelle ist vom Fremdenverkehrsbüro Quillebeuf-sur-SeineWir treffen sie in der Nähe von Le Marais-Vernier in Vieux-Port und erfahren mehr über die bemerkenswerten Fachwerkhäuser. Fast grazil sehen die schmalen Balken der normannischen Häuser im Vergleich zu unserem heimischen Fachwerk aus. Früher bauten arme Menschen diese Häuser und bewohnten sie nur ebenerdig. Seit dem Mittelalter gibt es das normannische Fachwerk, allerdings bis heute sind wenige erhalten geblieben. Im Naturgebiet der Seineschleifen können sie zahlreich bewundert werden. „Überlebt haben die Häuser nur,  weil sie aus Armut stets an die nachfolgende Generation weiter gegeben wurden“, weiß Isabelle zu berichten.

Normandie Frankreich Normannisches Fachwerkhäuser wurden liebevoll restauriert und sehen so urgemütlich mit den vielen Blumen aus

Normannisches Fachwerkhäuser wurden liebevoll restauriert und sehen so urgemütlich mit den vielen Blumen aus

normannisches Fachwerk Route Chaumières Normandie Frankreich Roadtrip Ausflugstipp

Seit dem Mittelalter sind die Häuser aus der ärmeren Bevölkerungsschicht stets an die nachfolgende Generation weiter vererbt worden.

Wir streifen durch die keinen Straßen zu Fuß und bewundern die Architektur. Was die Häuser wohl für Geschichten erzählten könnten, frage ich mich gedankenverloren und erschrecke fast, als an einem Haus sein Bewohner an seinem Gartenzaun lehnt und uns freundlich ein Bonjour zuruft. Gemütlichkeit wird auch hier groß geschrieben.
Keller gibt es hier keine, zu sumpfig ist das Gebiet. Trotz Armenhäuser wurde die Hausbasis schon damals aus Stein gebaut – auch eine Sache, die dem Moor geschuldet ist. Auf dem Dachfirst entdecke ich Blumen und erfahre, dass diese gegen Feuchtigkeit gepflanzt wurden. Besonders die Iris auf dem Reetdach zieht die Feuchtigkeit und hält das Dach zusammen. Wie clever man damals schon war!
Anders als bei uns ist das Fachwerk hier nicht im Einheitsbraun und Weiß gestrichen. Die Franzosen sehen das lockerer: Hier darf gestrichen werden, was will und so flanieren wir durch das beschauliche Dorf vorbei an harmonisch farbigen Häusern. Das ist Idylle pur!

normannisches Fachwerk Route Chaumières Normandie Frankreich Roadtrip Ausflugstipp

Die Bepflanzung auf dem Dachfirst zieht die Feuchtigkeit und hält das Reetdach trocken.

normannisches Fachwerk Route Chaumières Normandie Frankreich Roadtrip Ausflugstipp

normannisches Fachwerk Route Chaumières Normandie Frankreich Roadtrip Ausflugstipp

In der Normandie wird das ursprünglich braune Fachwerk auch gern einmal in Blautönen gestrichen.

Auf dem Weg zum Auto laufen wir an der alten Kirche vorbei, die gerade saniert wird. Ganz klar ist mir immer noch nicht, wie diese Betstühle genutzt werden, ob diese Tellerchen an der Front für die Knie zu gebrauchen sind? Witzig sieht es alle mal aus.

Wer Lust auf dieses traumhafte Gebiet in der Normandie hat, der sollte unbedingt einen Tag für diesen Roadtrip einplanen. Zwar ist die Route mit guten 50 km kurz, doch würde ich ausreichend Zeit für Spaziergänge und Zwischenstops einplanen sowie ein bisschen Seele baumeln lassen an der Seine. Das Meer ist von hier aus nur rund 20 km entfernt.

normannisches Fachwerk Route Chaumières Normandie Frankreich Roadtrip Ausflugstipp

Was man so alles auf dem Roadtrip entdeckt: Sonderliche Betstühle ;-)

Tourismusseite der Region Vernier Moor
 Route Chamières
Broschüre zur Route Chamières (auf französisch)

Einkehrtipp auf Eurem Roadtrip durchs Vernier-Moor

In mitten der schönen Landschaft liegt ein vergleichsweise etwas moderner Ort. Zwar hört das Zeitreise-Feeling hier nicht auf, aber im Vergleich zu der Beschaulichkeit der Fachwerkidylle zuvor wirkt Le Marais-Vernier fast neuartig. In einem alten Fachwerkhaus liegt das Auberge de l’Etampage. Innen ist es rustikal eingerichtet. Außen gibt einen Biergarten und eine überdachte Terrasse mit Blick auf die Seineauen.

Da wir vor nicht langer Zeit ein ausgiebiges Frühstück hatten, verzichte ich auf die Hauptspeise und genieße einen kleinen Salat mit warmen Schafskäse und Honig und zum Nachtisch eine Apfeltarte de Normandie. Beides aus regionalen Produkten und schmeckt vorzüglich.

Hotel und Gastronomie Auberge de l’Etampage
Auberge de l’Etampage, le Bourg, 27680 Le Marais-Vernier

 

Unsere Stationen der Vernier-Moor-Tour

Von unserem Startpunkt in Bourneville sind wir Richtung Aizier gefahren. Nach Zwischenstop im traumhaften Vieux-Port ging es weiter über Trouville La Haule und Sainte Opportune la Mare. Nach Durchquerung über kurvige Straßen und schönen Ausblicke im Marais Vernier Moor, haben in der Gemeinde Marais Vernier zu Mittag gegessen und die ganzen Eindrücke mit passendem Flair genossen. Die Route ist mit braun-weißen Schildern gekennzeichnet. Ein PDF mit mehr Informationen zur Tour (auf Französisch) ist hier für Euch hinterlegt.

 

Grundsätzliche Tipps für einen Roadtrip durch die Normandie:

  • Der Verkehr in der Normandie ist sehr entspannt. Hatte ich mit wilden Verkehrsaufkommen in Kreisverkehren gerechnet, so wurde ich angenehm von der besonnen Ruhe und Leere der Region überrascht.
  • Reist Ihr nicht mit dem eigenen PKW an, lohnt sich auch ein Flug nach Paris und von da ab einen Leihwagen zu nehmen. Wir hatten vom Flughafen keinen Stau und sind leicht über die Ringe raus aus Paris gelangt. Nach Eure/Orne dauert die Fahrt mit dem PKW ca. 1,5 Stunden.
Normandie Frankreich Maut Eure Orne Reisen Roadtrip Urlaub mit dem Auto PKW

Mautgebührstationen in Frankreich: Oft zu finden. Per Karte oder bar zu zahlen.

  • Mautgebühren in Frankreich sind für mich nicht ganz eingängig gewesen. Unverhofft trifft man auf eine Mautstelle zu Beginn oder am Ende einer Strecke. Eine Plakette für mehrere Tage oder Wochen, wie beispielsweise in Österreich, gibt es nicht. In Frankreich muss vor oder nach der genutzten Strecke bezahlt werden. Manche Mautstellen haben einen Servicemitarbeiter, bei dem man bezahlen kann, manche kommen ohne ihn aus und bieten eine Bezahlung per Kreditkarte. Manchmal ist rechts der Station abseits ein Automat, bei dem mit Kleingeld bezahlt werden kann. Achtet auf die Schilder der Mautstellen. Frankreich-Info hat eine Übersicht dargestellt. Das „t“ auf dem Schild weist auf Abonnenten hin. Hier sollte man eher nicht einfahren. Haltet Ausschau nach den Initialien „CB“ (carte bancaire), wenn Ihr mit Karte zahlen wollt oder nach einem Bargeldzeichen. Sewina berichtet mir darüber hinaus: „Sollte die Mautstation mal kleiner ausfallen, kann es auch sein, dass nur ein „t“ dort steht, man aber trotzdem mit Bargeld oder Karte bezahlen kann. Es ist nicht immer ganz offensichtlich, die grobe Regelung, dass man als Tourist die Auffahrten nehmen sollte, die CB oder Bargeld haben, gilt aber trotzdem. Sollte man doch einmal aus Versehen in eine „T“-Auffahrt fahren, so ist das alles kein Problem, es gibt immer einen Hilfe-Knopf, an dem man einen Mitarbeiter rufen kann, der einem dann das Ticket ausstellt.“
    Wer seine Strecke mautfrei planen möchte, findet auf hier einen Mautplaner. Es gibt zahlreiche mautfreien Strecken. Mir hat es auf diesen „grün markierten“ Strecken, meistens Landstraßen,  mehr Spaß gemacht, weil ich mehr Eindrücke von Land und Leuten mitnehmen konnte.
    Ausführliche Informationen zu Mautgebühren in Frankreich findet Ihr auch auf der Website von rendezvousenfrance.com
  • Tanken sollte man in der Normandie in Eure und Orne planen. Das Tankestellennetz ist weniger ausgebaut als bei uns. Oftmals fuhren wir einen ganzen Tag lang und entdeckten nicht eine einzige Tankstelle. In Frankreich ist es übrigens Pflicht, die Preise des Sprits zu veröffentlichen. Auf www.prix-carburants.economie.gouv.fr findet Ihr die Tankstellen nach Regionen samt Preisen verzeichnet.
  • Wer wie ich der französischen Sprache nicht mächtig ist: Sauf heißt ausgenommmen ;-)
Verkehrschild Normandie Roadtrip Tipps Frankreich

Nicht was Ihr vielleicht denken könntet…

Offenlegung: Ich wurde zur Pressereise „Normandie mal anders“ von der Normandie eingeladen. Auch Atout France herzlichen Dank für die Unterstützung zu dieser Recherchereise. Meine Meinung bleibt wie immer die eigene.

Teile diesen Beitrag:

Verwandte Artikel:

2 Kommentare

  1. Norbert Fritz

    Sicherlich ein tolles Erlebnis. Wunderbar beschrieben und fotografiert. Macht richtig Appetit auf eine eigene Tour.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert