De Olifant Manufaktur – Eine Fabrik wie im Bilderbuch

Hanzesteden, niederländische Hansestädte, Hafen, Kogge, Holland, Kampen

Ein Sitzkissen auf dem Holzstuhl, eine Lampe hängt tief über den Arbeitsbereich, eine Schürze ist ordentlich über der Stuhllehne zusammengefaltet. Heute ist Samstag, da bleibt auch er gern zu Hause. Am Montag freut er sich allerdings wieder seinen Platz in der Fabrik einzunehmen. Die Rede ist von Tinus. Tinus Vinke ist 90 und Zigarrenhersteller aus Leidenschaft. Als er in Rente ging, berichtet mir Marjolijn Diesch, kam er einfach wieder. Jeden Tag. Als ob nichts gewesen wäre. Er wollte nicht in Pension, so dass Tinus einen besonderen Arbeitsvertrag erhält und der älteste Mitarbeiter der Sigarenfabriek De Olifant ist. Überhaupt ist in dieser Fabrik alles anders, als man sich normalerweise eine Fabrik vorstellt. Ein tolles Ausflugsziel in der holländischen Hansestadt Kampen!

Hanzesteden, niederländische Hansestädte, Hafen, Kogge, Holland, Kampen

Tinus, 90 Jahre alt und heute noch Mitarbeiter aus Leidenschaft

Von außen würde man keine Fabrik hinter den alten Gemäuern vermuten. Mitten auf der Haupteinkaufsstraße in Kampen leuchten zwei rote Markisen mit Schriftzügen De Eenhoorn und De Olifant. Während der Eingang des De Eenhoorns wie ein Café anmutet, wähle ich den Weg der Tür des Olifanten. Ein Haus nach meinem Geschmack. Im alten Stil eines Kolonialladens reihen sich ausgefallene Schokoladensorten aus der ganzen Welt aneinander. Ich entdecke die Welt des Tees, sogar ganz besondere Sorten, wie beispielsweise Jasminperlen, wo jedes Blatt einzeln von Hand gedreht wird. Von dem extravagantem Geschmack konnte ich mich bereits beim High Tea auf dem Petersberg überzeugen, hatte ich bisher diese Sorte jedoch nie zuvor in einem Teeladen entdeckt. Das Einhorn präsentiert anschaulich, dass ich mich in Kampen in einer der ältesten Hansestädte der Niederlande befinde. Exklusive Sorten wurden seit je her in die Stadt importiert, veredelt und weiter verkauft.

Hanzesteden, niederländische Hansestädte, Hafen, Kogge, Holland, Kampen

De Eenhoorn Teesorten gibt es einerseits eigens gemischt als Luxusbeutel im Pyramidenpack.

Hanzesteden, niederländische Hansestädte, Hafen, Kogge, Holland, Kampen

Exklusiv ausgesuchte Blättertees werden im De Eenhoorn angeboten.

Mein Shoppingwunsch muss warten. Ich bin mit Marjolijn Diesch verabredet und darf an einer Führung durch die Zigarrenfabrik De Olifant teilnehmen. Die beginnt nämlich genau hier in diesen hübschen und historischen Räumlichkeiten. Über einen kleinen Humidor treten wir in die hinteren Räume des Hauses und gehen gleichzeitig in die Fabrik des Hauses.
Ein Raucherzimmer sieht aus wie aus ganz alten Zeiten. Überrascht erfahre ich von Marjolijn, dass dieses Zimmer im „Old-Style“ erst 1990 vom Künstler Kenne Grégoire gemalt wurde. Kennes Bilder sind dafür bekannt, dass sie plastisch und täuschend echt wirken. Ich kann nicht widerstehen, auf der Tür ein Blatt Papier zu berühren, welches sich wirklich lediglich als Malerei herausstellt. Faszinierend!

Über eine Treppe und knarrenden Dielen gehen wir weiter. Olifant ist übrigens das niederländische Wort für Elefant und bis heute das Markenzeichen der exklusiven Zigarrenmanufaktur. Schon im Verkaufsraum entdeckte ich Zigarren mit schmückenden Olifanten auf der Banderole und edlen Zedernholzkisten. Ich hatte mir vorher nicht vorgestellt, wie eine Zigarrenfabrik riecht, aber es duftet eindeutig lecker nach Zedernholz und seltenen Tabaksorten.

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Marjolijn Diesch zeigt mir Zigarrenneuling die Deckblätter. Per Hand befeuchtet sind sie nicht spröde, wie ich es von so manchem Blatt aus heimischer Grünkultur mit meinem grünen Daumen kenne. Sie entpackt gekonnt das gekräuselte Blatt und entfernt händisch die Hauptrippe. Das Umblatt macht 60 % des Geschmacks aus. De Olifant verwendet gern dafür Blätter aus Sumatra, Java und ab und zu aus Bahia.

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Qualität wird in der Kampener Manufaktur groß geschrieben. Ein Grund, warum diese Bilderbuchfabrik bis heute in Betrieb ist. 1826 wurde die Fabrik vom Bremer Unternehmer Johann Lehmkuhl gegründet. Damals florierte in der Region die Tabakindustrie. 60% aller Kampener arbeiteten damals in der Branche. De Olifant ist bis heute die einzige Tabakfabrik, die geblieben ist. Der Familienbetrieb in der vierten Generation achtet neben der hohen Qualität der Tabake auch darauf, dass Anbaugebiete und Ernteverfahren in Harmonie mit der Natur stehen.

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Für mich fühlt es sich so an, als ob die Zeit stehen geblieben ist. Tradition mischt sich mit Nostalgie. Tradition ist im Familienbetrieb wichtig. Am heutigen Samstag ist die Fabrik nicht in Betrieb und ich muss mir öfter ins Gedächtnis rufen, dass wir nicht in einem Museum sind, sondern werktags in dieser Fabrik gearbeitet wird. Alte Gemäuer, Monumente der Zeitgeschichte und alte Maschinen – sogar aus Köln entdecke ich ein altes Schätzchen. Diese Tabakschneidemaschine aus dem Jahr 1888 ist allerdings die einzige Maschine, die nicht mehr in Betrieb ist.

Im oberen Geschoss gelangen wir zum Arbeitsplatz von Tinus. Er fertigt von Hand Zigarren, eine Kunst für sich. Marjolijn Diesch ist bei ihm in der Lehre und teilt mir so einiges Wissenswertes zum Handwerk mit. Ich lerne den Unterschied von Short- und Longfillern kennen. De Olifant fertigt ausschließlich Shortfiller. 4,6 Millionen Zigarren verließen 2015 das Olifantenhaus in Kampen. 3 Millionen davon bleiben in den Niederlanden. Von den exportierten Zigarren gehen 70% zu deutschen Liebhabern.

Handwerk mit Herz von Tinus

Handwerk mit Herz von Tinus

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Trocknungsstelle der handgerollten Zigarren

Trocknungsstelle der handgerollten Zigarren

Bei den Maschinen entdecke ich Kopfhörer. Marjolijn berichtet mir, dass bei Betrieb die Maschinen schon laut sind und jede der Damen hier ihre eigene Musik hört. Überhaupt ist das Traditionsunternehmen der Familie van der Sluis mit Binet Brasser auch bei seinen Mitarbeitern sehr beliebt. Über Generationen hinweg arbeiten Mitarbeiter gern hier, berichtet mir Marjolijn und ich kann Stolz in ihren Augen sehen.
Noch ein Geheimnis lüftet meine Fabrikführerin für mich: Es gibt rechte und linke Zigarren. Die Maschinen zum Deckblatt sind entsprechend eingestellt und sie zeigt mir die spezifische Wickeltechnik.

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Es gibt links und rechts gedrehte Zigarren.

Die Führung gibt interessante Einblicke zum einen in die Zigarrenherstellung, zum anderen auch in die Hansegeschichte von Kampen und hat mir wunderbar gefallen. Wer noch mehr erfahren mag, findet auf der Website eine 360 Grad-Führung oder bucht über das Kontaktformular eine eigene Tour vor Ort für sich.
Mich zieht es nach der Führung ins Café De Eenhoorn. Mit leckeren Cappuccino verabschiede ich mich von Marjolijn Diesch und genieße danach eine ausführliche Shoppingtour. Einen weiteren Kaffee genehmige ich mir auf der Bank vor dem Haus und genieße das Treiben der Innenstadt. Was für ein perfekter Samstag!

Marjolijn Diesch führt mit Charme und viel Wissen durch die schöne Manufaktur.

Marjolijn Diesch führt mit Charme und viel Wissen durch die schöne Manufaktur.

Offenlegung: Zu meiner Reise zu den Hanzesteden wurde ich vom Hanzesteden Marketing und dem Niederländischen Büro für Tourismus & Convention (NBTC) eingeladen. Ganz herzlichen Dank dafür. Danke für die tolle Organisation und die Möglichkeit, diese schöne Region zu entdecken! Meine Meinung bleibt wie immer die eigene.
Besonderen Dank an Marjolijn Diesch für so schöne Führung!

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2 Kommentare

    • Das ist aber lieb, dass Sie sich via Kommentar bei mir melden. :-)
      Leider bin ich schon lange wieder zu Hause und war nur kurz in Kampen und in Zwolle (zu Zwolle folgt noch ein Artikel in Kürze). Ich komme aber auf jeden Fall im nächsten Jahr wieder – es hat mir wunderbar bei Ihnen gefallen!
      Würde mich sehr freuen, wenn ich von Ihnen noch mehr Geschichten erfahren dürfte.
      Ganz herzliche Grüße,
      Tanja

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