Wie man Austern in der Bretagne isst? Speisen wie die Königinnen auf der Austernzucht

Links oder rechts herum? Ratlos schauen wir uns an. Wir Frauen kennen eigentlich immer den Weg. Kennt Ihr, oder? Aktuell rollen wir planlos auf den Strand zu. Ein Schild an einem Mäuerchen mit der Aufschrift Aux Viviers De Penfoulic zeigt uns den Weg zur Austernzucht sowohl links als auch rechts herum. Der linke Weg geht zurück landseitig, also legt Christine den ersten Gang ein und wir fahren rechts Richtung Strand. Für mich als Nicht-Bretonin ist es Abenteuer pur, auf dem Sand bei Ebbe zu fahren. Ich hätte fast wie ein kleines Kind vor Freude in die Hände geklatscht.

Um uns herum Ebbe und wir mitten drin! Nach dem Motto „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ parkt Christine unser Auto mitten auf dem Strand neben einem allein dastehenden weiteren Auto. Während wir aussteigen, fragt Christine, ob die Flut noch auf sich warten lässt. „Es wird noch etwas dauern“, antwortet der Fischer neben uns, „aber wenn, dann steigt sie bis zur Mauer“ und zeigt weiter oben auf die Richtung, aus der wir gekommen sind. Für Euren Besuch: Landseitig parken ist also eindeutig die sichere Alternative. Ich für meinen Teil schlüpfe aus dem Auto und genieße es, gleich mitten im Ort des Geschehens zu sein.

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Der sandige, feuchte Boden sapscht unter den Füßen. Die vielen Muschelreste knirschen bei jedem Schritt. Die Luft riecht und schmeckt salzig. Die leichte Brise bringt frische Meeresluft. Eine einsame Möwe kreischt über unseren Köpfen, ansonsten ist es ruhig. Wir stehen am Ufer und genießen die Stille, lassen unseren Blick über die Ebbe und frei gelegten Austernbänke gleiten.

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Wir sind in der Bucht von Concarneau, Nähe La Foret-Fouesnant. In dieser Region zwischen dem Fluß Belon, Küste und Atlantik spielt übrigens auch der vierte Krimi von Kommissar Dupin „Bretonischer Stolz„*: Spannung, Humor, Meeresbewohner und wieder die Liebe zur Bretagne und zu den Bretonen machen das vierte Buch von Jean-Luc Bannalec aus. Dazu lernt man viel über die bretonische Austernzucht und taucht ein in das besondere Lebensgefühl der Bretonen. Wir lassen heute aus der Theorie Praxis werden. Also jetzt keine Mordermittlung, vielmehr wollen wir uns von der Queen der Meeresfrüchte schlau machen lassen – ganz wie Kommissar Dupin – und entdecken nebenbei wieder dieses wunderbare bretonische Lebensgefühl.

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„Das schönste Büro der Welt.“

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Direkt am Fluß Belon liegt Béas Austernzucht

Béa winkt uns beherzt mit einem Lachen zu ihrer Austernzucht, die oberhalb des Strandes an einer hüfthohen Mauer gelegen ist. Wie sie da steht, fallen mir die Zeilen aus dem 4. Kriminalroman* der Kommissar-Dupin-Reihe wieder ein. Hier versichert sie dem Ermittler: „Das schönste Büro der Welt!“ Ein komisches Gefühl jetzt inmitten dieses Landstriches zu stehen und Béa mit eigenen Augen zu erleben. Sie führt mit ihrem Mann den Muschel- und Austernzuchtbetrieb in der Nähe von Fouesnant und das nicht nur im Bannalecs Buch, sondern ganz in echt. Namenhafte Restaurants wie das „Café du Port“ in Sainte-Marine und das  „L’Amiral“ in Concarneau beziehen hier ihre Austern, Palourdes, Praires, Krebse, Seespinnen und Meeresschnecken. In Gummistiefeln, mit Sommersprossen und wilder Lockenpracht erklärt uns die sympathische Béa, wie das Geschäft mit der weltberühmten Delikatesse funktioniert.

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Im Bretonischem Kochbuch gibt es eine Fülle von Informationen von Béa und leckere Rezepte zu Meeresfrüchten aus der Bretagne.

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Die Vollblutzüchterin erläutert uns mit Herz und Seele die unterschiedlichen Meeresfrüchte der Bretagne. Es gilt: Jede Auster „ist was sie isst“. Austern filtern Unmengen an Wasser inklusive des Planktons, Algen und mineralischen Spurenelementen. Jedes Gebiet prägt somit seine Auster. Man schmeckt das Herkunftsgebiet. Genau genommen funktioniert der Verkauf von Austern wie bei Weinsorten. Der Geschmack ist abhängig von Lage und Bodenbeschaffenheit im Hinblick auf die Nährstoffe. Austern vom Belon sind eine besondere Delikatesse. Allein der Austername Belon suggeriert teuren Luxus.

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Wahrer Luxus: Seine Meeresfrüchte direkt vom Nachbarn kaufen zu können

Kostspielig, wenn man bei uns zu Hause Belon-Austern bestellt. Bretonen haben es einfacher. Bei unserem Besuch taucht immer wieder ein Strandspaziergänger, Einheimischer oder Nachbar auf und kauft für sein Abendbrot ein.
Während Béa ihre Kunden bedient, schaue ich mir die verschiedenen Behälter im großen Klärbecken der Zucht an. Die Sonne wirft warmes Licht auf uns, überall blubbert es und leichte Schaumkronen bilden sich an der Wasseroberfläche. Das hat irgendwie etwas beruhigendes. Fein säuberlich sortiert liegen Austern in Körbchen verteilt unter Wasser. In anderen Körben liegen Muscheln und andere Meerestiere.

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Für mich ist Austernzüchterin ein exotischer Beruf. Béa vergleicht ihn eher mit einem Gemüsebauern. Auch er muss sein Feld bestellen, die Saat hegen und pflegen und auf die Ernte warten. Eine Austernzüchterin muss nur etwas länger warten. Rund 3 Jahre dauert die Austernreife. Bei Herzmuscheln (coques) sind es 18 Monate. Dabei kommen keine Maschinen zum Einsatz. Das Ehepaar arbeitet bodenschonend mit Rechen und erntet von Hand.
Da ich der französischen Sprache nicht mächtig bin, warte ich geduldig, bis Christine immer wieder spannende Neuigkeiten zur Austernzucht von Béa übersetzt. Im frisch erschienen Bretonischem Kochbuch ist Béa mit ihren Austern und was man dazu unbedingt wissen sollte, ein extra Kapitel gewidmet.
Eine Frage treibt mich allerdings noch um: Warum sollte man in Monaten mit keinem R keine Austern essen? Früher war es ein Problem der angemessenen Lagerung. Von Mai bis August waren die Temperaturen zu hoch und Kühlanlagen nicht vorhanden. Wichtiger aber: Austern laichen in den Sommermonaten und verändern dabei ihr Fleisch und Geschmack. Sie sind genießbar, aber viele mögen dann diesen Geschmack nicht. So hat sich dieses Sprichwort über die Zeit bis heute gehalten.

Typisch für den europäischen Hummer aus der Bretagne: Die Blaufärbung am Schwanz. Béa und ihr Mann Fabien verkaufen auf ihrer Farm nicht nur Austern und Muscheln. So wird unser Besuch ebenfalls ein Ausflug in die Erkundung weiterer bretonischer Meeresfrüchte. Ich lerne den Unterschied zwischen Herz- und Venusmuschel, lerne die Charakeristika eines europäischen Hummers mit blauer Farbe und bestaune einen Taschenkrebs (Tourteau) aus nächster Nähe.

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Taschenkrebs (Tourteau)

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Wir verbringen Stunden bei Béa. Noch steht unser Auto am trockenen Strand und keiner zwingt uns zur Eile. Ich mag die Atmosphäre hier, freue mich an Béas Lachen, Lebenslust und über ihre erfrischende bretonische Art, auch wenn ich von ihrer Sprache kein Wort verstehe. Neben des Klärbeckens und ihrem schönsten Büro der Welt stehen am Fluss Holztische und laden zu einer Verkostung ein. Vorher lernen wir allerdings noch, wie man am besten eine Auster öffnet – und das ist gar nicht mal so einfach.

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Erster an der Front ist Dirk vom gourmet-blog. Béa zückt ihr scharfes Messer und legt die Auster mit der gewölbten Seite in Dirks Hand, während die spitzere Seite zu Dirks Bauch zeigt. Sie weist an, mit dem Messer an der Muschel entlang zu fahren, bis man den Schließmuskel ungefähr in der Mitte erreicht. Hier durchtrennt das Messer den Muskel, worauf zu achten ist, das Fleisch der Auster nicht zu verletzen. Weiter wird das Messer an der Schale entlang geführt, zeitgleich versucht die obere Schale anzuheben und streng darauf zu achten, dass kein Meerwasser auslaufen kann. Was bei Béa wie ein Kinderspiel aussieht, bereitet uns ordentliche Kraftanstrengungen und ist gar nicht so einfach. Als ich mein Glück versuche, überlege ich Sekunden zuvor, ob ich zur Vegetarierin umschwenken soll. In der Tat ist das Durchtrennen des Muskels ein komisches Gefühl. Nach einigen Versuchen überlassen wir der Könnerin wieder das Feld und bieten unsere Hilfe lieber bei der Tischdeko an.

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Die Königinnen lassen den Mann für sich arbeiten: Dirk vom gourmet-blog übt sich im Öffnen der Musscheln und Austern

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Es ist angerichtet! Kann eine Muscheln- und Austernverköstigung irgendwo sonst auf der Welt authentischer und köstlicher sein??

Wir nehmen an den Holztischen Platz. Obwohl es ein Nachmittag im Oktober ist, ist es angenehm warm. Der Wein schmeckt doppelt gut mit diesem phantastischem Blick auf den Belon und die vor uns stehenden Meeresfrüchte. An Austern scheiden sich die Geister und Zungen. Entweder man mag sie oder man mag sie nicht. Der Blick auf die Tafel vor uns mit den glänzend champagnerweißfarbenden Muscheln passt harmonisch perfekt zur Stimmung der letzten Sonnenstrahlen. Eine Fülle von scharfkantigen und strahlenden Perlmutträndern und rosa schimmernden Muscheln lässt die Auswahl, was ich zuerst probieren soll, schwer fallen. Über drei Jahre lang sind sie gereift und locken jetzt mit nussigen, süß-salzigem Inhalt. So frisch und so gut habe ich noch nie in meinem Leben Austern genossen!
Eigentlich darf man keinem verraten, dass es zum späten Abend noch zum Diner ins L’Amiral geht. Bei untergehender Sonne hätte ich an diesem schönem, genussvollem Ort noch viele weitere Stunden verweilen können. Aber die Flut rückt näher, lässt die Boote wieder im Wasser schaukeln und langsam das Wasser zu unserem Wagen steigen.

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Abendiylle am Belon

 

Adresse und Kontakt für Euren Besuch der Austernzucht
Viviers de Penfoulic
Route de Beg an Aérodrome
29940 La Forêt Fouesnant
Tel.: 00 33 (0)2 98 56 83 89
Reiseführertipp
Wunderbar geschrieben und mit jede Menge guten Tipps zur Bretagne hat mir der Reiseführer von Marcus X.Schmid aus dem Michael Müller Verlag sehr gut gefallen. Genussmenschen und Entdecker kommen voll auf Ihre Kosten. Mehr Infos
Noch mehr Reisegeschichten zur Bretagne
Weitere Reisegeschichten zur schönen Bretagnereise findet Ihr hier im Blog und darüber hinaus bei Anja von delicioustravel, Dirk vom gourmet-blog, Sabine von Reisenomadin und Tina von Lunch for one.


Offenlegung:
 Auf meine kulinarische Reise durch die Bretagne auf den Spuren von Kommissar Dupin wurde ich eingeladen von Comité Régional du Tourisme de Bretagne. Herzlichen Dank dafür, meine Meinung im Blogbericht bleibt davon unbeeinflusst. Für den Post wurde ich – wie immer in meinem Blog – nicht bezahlt.
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6 Kommentare

  1. Auf den kulinarischen Spuren von Kommissar Dupin.

    Das Video gefällt mir sehr gut, aber leider sprichst du den Namen Dupin nicht richtig aus. Du sagst Dupont (so wie das berühmte Feuerzeug) anstatt Dupin (so wie Brot = pain)
    Das wollte ich dir nur noch sagen, nicht böse sein, war gut gemeint.
    LG – Ingrid

    • Danke Dir für Dein Feedback Ingrid. Ja, das ist leider nicht richtig gewesen. Habs inzwischen auch gelernt ;-) Hatte mir man auch schon auf Youtube geschrieben. Dennoch Danke ;-)

  2. Ein schöner Bericht, nur leider mit völlig falscher Ortsangabe. Der Belon ist weit weg. Die beschriebene Austernzucht ist in der Bucht von Concarneau, ganz innen bei La Foret-Fouesnant, auf dem Weg nach Cap Coz.

    • Lieber Dietmar, danke für Dein positives Feedback zum Artikel und zum ganz wichtigen Hinweis zum Ort. Sollte ich mir das falsch notiert haben? Ich horche bei den „Experten“ noch mal nach, wo es ganz konkret ist und ändere das dann umgehend. Aktuell bin ich gerade in der Pfalz unterwegs :-)
      Danke Dir auf jeden Fall für den Hinweis! Ich bin sonst immer sehr genau mit meiner Recherche.
      Liebe Grüße, Tanja

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