Suite View – Welches Hotelzimmer hat den schönsten Ausblick?

Wie verrückt muss man sein, zwei Jahre lang die ganze Welt für jeweils 48 Stunden zu erkunden? Die Künstlerin Jeannine Platz suchte in Hotels den schönsten Ausblick und fing ihn mit ihren mit Händen gemalten Bildern ein.

Wie muss man es sich vorstellen, wenn Du ein Hotelzimmer beziehst: Wird gleich die Leinwand herausgeholt?

Ich habe jedes Hotelzimmer in mein Atelier verwandelt, Sofas verschoben, Teppiche eingerollt und mir den freien Blick nach vorn verschafft. Der Ausblick zieht mich gleich in seinen Bann und ich lege los. Ich empfinde den Blick aus dem Hotelfenster mehr, als ich ihn sehe. Ich spüre die Ölmalfarbe in meinen Händen und fühle, dass was ich sehe. Während meine Hände malen, ist mein Kopf ausgeschaltet. Überhaupt bestehe ich mehr aus Gefühl als aus Denken.

Jeannine in Amsterdam in ihrer Arbeit versunken (Foto: Julia Löwe)

Malst Du lieber ein Nacht- oder Tagbild?

Ich starte mit meinem Bild sofort, wenn ich das Hotelzimmer beziehe – egal wann. An einem Bild arbeite ich 10 bis 12 Stunden. Da ändern sich die Tageszeit und die Lichtverhältnisse. Es kann vorkommen, dass ein neuer Moment mich so ergreift, dass ich das bestehende Bild einfach übermale. So kann aus einem Nachtbild durchaus ein Tagbild werden oder umgekehrt. Eigentlich sind 48 Stunden in einem Bild vereint.

Wo war bisher der schönste Ausblick aus welchem Hotelzimmer?

In Singapur war das Hotelzimmer toll, dafür der Ausblick weniger schön. In Tokio hatte ich ein extrem kleines Zimmer aber einen gigantisches Panorama. In New York war beides schön. Der  Timesquare war atemberaubend. In Hongkong hatte ich einen riesigen Rundumblick, der mich total begeisterte. Da reicht meine Zwei-Meter-Leinwand nicht mehr, dachte ich, und musste mir eine größere vor Ort besorgen. Ich wollte alles von dem gigantischen Panorama auf meinem Bild erfassen.

Westin work in process (Foto: Julia Löwe)

Wie kam die Finanzierung zu dem Projekt zu Stande?

Die Idee zum Projekt „Suite View“ kam mir auf einem Containerschiff. Wie kann ich die Weite und den Ausblick auch in meiner Stadt einfangen? So startete ich mit dem Empire Riverside Hotel in Hamburg und sparte zwei Jahre lang jeden Cent für die Flüge der kommenden Reisen von Bild zu Bild. 120 Hotels konnte ich für meine Idee gewinnen. Die Hotels erhielten ein Bild für meinen Aufenthalt.
Nach 48 Stunden in der Ferne hieß es auch immer gleich wieder von dem Ort Abschied zu nehmen. Bei aller Liebe zum Fernweh und Kunstprojekt: Meine zwei Kinder warten zu Hause.

Ausblick auf Bangkok (Foto von Jeannine Platz)

Ich war in Hamburg zum Seminar an der Akademie für Publizistik. Unsere Seminarleiterin Silia Wiebe drückte mir für eine Interviewübung die Telefonnummer von Jeannine Platz in die Hand – keine geringere als die bekanntere Künstlerin, die ich bereits aus dem Fernsehen kannte. Die darf ich jetzt einfach so anrufen? Aufgeregt, ohne Vorbereitung und Recherche, rein ins kalte Wasser sollte ein Kurzinterview entstehen. Das Projekt „Suite View“ und die sympathische Malerin finde ich so interessant, dass ich die Zeilen nicht in der Schublade verschwinden lassen, sondern in meinem Blog als Reisetipp aufnehmen möchte.

120 Nächte in 50 Hotels, 41 Städte in 31 Ländern und über 330 Flugstunden später ist das Projekt „Suite View“ abgeschlossen und startet zugleich jetzt in vielen Galerien und Veranstaltungen.

Neben Ausstellungen und Buch kann man Jeannine in Hamburg in Ihrer Galerie in ihrem Atelier für Malerei und Kalligraphie (Hohenesch 68-70 · 22765 Hamburg) besuchen. Schaut außerdem auf ihre Website, dort findet ihr aktuelle Vernisagehinweise.
„Making-of-Filme“ findet Ihr zu den einzelnen Destinationen hier.

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