Leipzig: Auf der Suche nach dem Adventszauber

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Leipzig platzt an diesem Wochenende aus allen Nähten! Bundesinnenministerkonferenz, Handballweltmeisterschaft der Frauen und der Weihnachtsmarkt lassen Leipzig in diesen Tagen als Schmelztiegel und Hotspot der Welt erscheinen. Eines muss man in diesen Tagen haben: Geduld!
Adventszeit ist die Zeit der Hektik vor Weihnachten. Jobprojekte müssen abgeschlossen und neue Vorhaben für das neue Jahr eingestielt werden. Die wenige freie Zeit geht für Geschenkeinkäufe, Weihnachtsdeko und Planung der Festtage drauf. An den Adventszauber der Vorweihnachtszeit kann ich mich schwach erinnern. Ob ich ihn in diesem Jahr in Leipzig finden werde?

Warum ich Weihnachten die letzten Jahre im Herzen ausfallen ließ…

Als vor drei Jahren meine Mutter verstorben und mein Bruder kurz darauf schwer erkrankt ist, hat sich für mich die besinnliche Zeit vor Weihnachten verändert. Vielmehr: Ich wollte sie nicht! Lieber Hektik statt Ruhe. Lieber keine Zeit für Momente, in denen man in der Adventszeit an den schönen Zauber der besinnlichen Zeit denkt und spürt. Zu traurig und schmerzhaft war das Gefühl, dass Mama fehlt und wie das Leben es nicht so gut mit uns gemeint hat. Sie fehlt mir immer noch. Jeden Tag! Aber was ich nie glauben wollte: Die Zeit heilt die Wunden. Der Verlust ist immer da, aber anders. Die letzten Jahre habe ich Weihnachten in meinem Herzen ausfallen lassen. Es war ein Fest für und mit der Familie, aber eine Feierlichkeit nach Ablaufplan ohne wirkliche Wärme mit Geborgenheit im Herzen. Stress ist ein gutes Betäubungsmittel.
Dieses Jahr fühlt sich der Advent wieder anders an. Mit meinem Vater habe ich gemeinsam die Wohnung mit Tanne, Lichterketten und Kerzen geschmückt. Da keiner da ist, der mich in diesem Jahr beschenkt, gönne ich mir selbst schöne Dinge. Meine Dienstreise nach Leipzig habe ich um zwei Tage verlängert, um ganz für mich alleine zu schauen, ob es den Adventszauber für mich noch gibt…

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Inmitten der schönen Altstadt von Leipzig erstreckt sich seit dem 15. Jahrhundert jährlich der Weihnachtsmarkt

Konzert in der Thomaskirche und das Bach-Museum

Sightseeing in der Kirche? Es klang als Geheimtipp, als meine Leipziger Kollegin mir einen Besuch der Thomaskirche ans Herz legt. „Am besten um 15 Uhr, dann singt auch der Thomanerchor!“ Um 14 Uhr bahne ich mir einen Weg rückseitig zur Kirche an den geparkten Bussen vorbei zu den Eingängen. Menschenmassen, aber wie es sich gehört ordentlich in Zweierreihen, warten geduldig auf Einlass. Es ist kalt. Der Wind schneidend. Ich finde das Ende der Schlange nicht. Mein Vorhaben gerät ins Wankeln. Unentschlossen stehe ich auf dem Vorplatz der alten Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Die imposante Statue von Johann Sebastian Bach schaut auf mich herab. Die Kälte kriecht langsam in mir hoch. Ich plane um: Statt Kirchenbesuch wird es das Museum des Ausahmekünstlers. Im Bach-Museum umgibt mich Wärme. In einem Rundgang erfahre ich mehr über das Leben und Wirken von Johann Sebastian Bach. Interaktive Ausstellungsstücke lockern den Besuch auf. Es gibt Klangröhren, klingende Stammbäume, ein virtuelles Orchester und ein Hörkabinett. Auch Nicht-Musiker werden in Bachs Leben und vergangene Zeiten begeistert eintauchen. Nach gut einer Stunde ist mein Museumsrundgang beendet. Musiker werde sicherlich noch mehr Details entdecken wollen. Mich zieht es wieder nach draußen.

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Ein Teil der Thomaskirche

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Gesittet in Zweierreihen wartet man auf Einlass zum Kirchenkonzert des Thomanerchors

Der Platz der Thomaskirche ist immer noch gefüllt. Die Schlangen sind endlos. Viele möchten zur Adventszeit in den Hörgenuss des prominenten Thomanerchors kommen. Die Thomaskirche ist nicht weniger berühmt: 1409 wurde hier die Uni Leipzig gegründet. 1539 predigte Martin Luther zur Einführung der Reformation. Die Thomaskirche ist die letzte Ruhestätte vom großen Thomaskantor Johann Sebastian Bach und seit über 800 Jahren singt bis heute hier der Thomanerchor. Langsam lichtet sich der Menschenandrang. Kurz bevor die massigen Holztüren der Kirche schließen, rutsche ich als letzte in die Kirche. Bis zum letzten Platz ist alles gefüllt. Ich zahle meinen kleinen Eintritt von einem Euro und stelle mich an die Seite des Kirchenhauptschiffes. Ehrfürchtig lausche ich dem Gesang – ein einmaliges Erlebnis mit dieser Atmosphäre und Akustik! Obwohl so viele Menschen hier sind ist es ruhig, dass man eine Stecknadel in den Liedpausen hätte fallen hören. Nur der Gesang, er ist präsent in unseren Ohren und Herzen. Es kribbelt unter der Haut, mir schießen Tränen in die Augen. Zu viele Adventsgefühle auf einmal übermannen mich. In der Weihnachtszeit bin ich verdammt nah am Wasser gebaut und besonders anfällig für Weihnachtsmomente. Während neben mir mit geschlossenen Augen der Gesang des Thomanerchors aufgenommen wird, denke ich an meine Familie, an meine Kindheit und weine ich leise vor mich hin – aber es ist ein gutes Gefühl!

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Johann Sebastian Bach vor der Thomaskirche in Leipzig

Klirrende Kälte umgibt uns beim Verlassen der Kirche. Um das Adventsgefühl noch zu verstärken schickt Petrus uns Schneeflocken von oben. Zu wenig, dass sie liegen bleiben. Ausreichend, dass Kinder mit den Flocken fangen spielen und wir Erwachsenen die Szene in uns aufsaugen. Kindsein zur Adventszeit ist ein besonderes Glück. Ich ziehe die Jacke enger um mich. Eine Kirche ist kein warmer Ort. Mit gemütlichem Licht und leckerem Kuchen in der Theke lockt das Café Gloria zur Einkehr.

Während ich einen heißen Tee und Suppe genieße, tauchen die Kerzen alles in ein sanftes Licht. Am Fenster flanieren Passanten mit ihren Einkaufstaschen. Weiter hinten schimmern die Buden des Weihnachtsmarktes. In mir wirkt die Musik des Chors nach. Dabei genieße ich Tee und spüre seit drei Jahren das erste Mal wieder den Adventszauber in mir wachsen.

Leipzigs Weihnachtsmarkt

Aufgewärmt und gestärkt stöbere ich durch Leipzigs Straßen. Auf den ersten Blick kann ich nichts Außergewöhnliches entdecken, warum die Leipziger ihren Weihnachtsmarkt so anpreisen und feiern. Als Ruhrgebietskind kenne ich in Dortmund und Essen ebenfalls großflächige Märkte. Was ist hier besonders?

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Historischer Weihnachtsmarkt bei der Mädel Passage in Leipzigs Altstadt

Die Tradition des Leipziger Weihnachtsmarkts reicht bis in das 15. Jahrhundert. 300 Stände erstrecken sich in der historischen Altstadt. Damit zählt er zu den größten Weihnachtsmärkten in Deutschland. Auf den zweiten Blick entdecke ich Themen, denn nicht jede Region des Marktes ist gleich. Beim Salzgässchen Nähe des Marktes steht der Nostalgieweihnachtsmarkt. Ein altes Etagenkarussell bringt einen in die Vergangenheit. Der Duft der alten Jahrmarktsstände entführt in die Zeit unserer Großeltern.

Nostalgieweihnachtsmarkt wie zu Omas Zeiten

Im Märchenwald bei Augustusplatz tauchen Besucher in Grimms Märchenwelt ein und beim Naschmarkt erlebt man mit dem historischem Weihnachtsmarkt noch mehr Flair alter Zeiten. Ich genehmige mir einen heißen Met und schaue dem Treiben bei Fackelschein zu. Vor mir naschen zwei Kinder an einer großen Zuckerwatte und ihre Augen leuchten, wie Kinderaugen nur zu Weihnachten leuchten können. Ein Pärchen nimmt sich mit innigem Blick lachend in den Arm. Ich beobachte die Welt um mich herum. Da ist er wieder, der Adventszauber ist wieder da…

PS. Entschuldigt die schlechten Fotos – ich habe eine meine Kamera mit dem Display verstellt und es tatsächlich erst zu Hause bemerkt…

 

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4 Kommentare

  1. Liebe Tanja,

    so viel Offenheit, die du deinen Blogbesucher schenkst. Das ist sehr schön, in einer Zeit in der so viele Bloggerinnen nur die schönen Seiten des Lebens zeigen.
    Und auch wenn ich deine Erfahrungen mit Tod und Krankheit (noch) nicht gemacht habe, so kann ich sehr gut verstehen, dass du jedem Adventsgefühl lieber Stress entgegengesetzt hast.
    Und es freut mich, dass du deine Zeit in Leipzig genießen konntest und dich auf die Stimmung einlassen konntest.
    Dir und Deinem Vater wünsche ich ein schönes Weihnachtsfest. Mit Erinnerungen die vielleicht schmerzhaft sind, aber auch schön, und die dich heute vielleicht nicht mehr übermannen, sondern auch viel vergangenes Glück in die Gegenwart scheinen lassen.
    Sei herzlichst umarmt.
    Andrea

    • Danke liebe Andrea für Deine lieben Worte.
      Der Blog gehört zu mir – dazu gehört für mich durchaus auch etwas Persönliches.
      Leipzig war schön und für mich mit dem außergewöhnlichen Konzert genau das Richtige zum rechten Moment. Ich kann überhaupt nicht singen, aber das Gefühl zu singen oder zu zu hören, ist etwas Besonderes. Ich werde das für mich hier wohl weiter vertiefen. Vater freut sich schon drauf ;-) Im Gegensatz zu mir kann er nämlich gut singen.
      Ich wünsche Dir ein wunderschönes Fest im Kreise Deiner Lieben – mit allem Glück und Harmonie im hier und jetzt. Sei auch Du herzlich umarmt liebe Andrea!

  2. Liebe Tanja,
    ich wünschte, ich könnte die Stimmung bei deinen Reisen nur ansatzweise so gut auffangen und aufschreiben wie du. Wie immer ist es ein Genuss, deinen Bericht zu lesen. Wunderschön geschrieben.
    Ich wünsche dir und deinem Papa ein ganz schönes Weihnachtsfest. Genieße den wiedergewonnen Zauber ❤️🎄☃️
    Liebe Grüße, Heike

    • Danke Dir liebe Heike :-* Das ist ein lieber Kommentar, der mich sehr freut.
      Ich werde mit Papa das erste Mal nach drei Jahren wieder richtig Weihnachten feiern – sicherlich mit viel Tränen, aber das gehört irgendwie auch dazu, oder?
      Euch wünsche ich auch ein wunderbares Fest in und mit der Familie!

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