Altenberger Dom: Wenn ein Kirchgang unheimlich spannend wird

Vielleicht habe ich zu viele Romane gelesen und historische Filme geschaut, aber Kirchen lösen bei mir ein Kopfkino ähnlich eines Blockbusters aus. Auf Reisen schaue ich sie mir gern an, wandle durch die alten Gemäuer und spüre die Geschichte lebendig werden. Der Altenberger Dom gehörte jedoch bisher nicht dazu. Schlicht und unscheinbar wirkte die Kirche auf mich, reizte mich nicht für eine Entdeckertour – ein Fehler! Wie Schlichtheit täuschen kann…

Eigentlich wollte ich Euch diesen Artikel schon längst geschrieben haben. Vielleicht kennt Ihr das auch: Wenn man etwas besonders gut machen will, gibt es Ladehemmungen – in meinem Fall Schreibblockaden. Warum? Mein Rundgang im Altenberger Dom mit persönlicher Begleitung von David war so beeindruckend, dass ich einen ganz besonders tollen Artikel schreiben wollte. Wie schaffe ich es, meine Begeisterung und Faszination in wenige Worte zu kleiden? Wie gelingt es mir, meine Euphorie mit Euch zu teilen? Das geben nicht nur Worte und Bilder wieder. Mit David von der Naturarena Bergisches Land wurde mein Ausflug eine außergewöhnliche Reise durch regionale Geschichte mit spannenden Entdeckungen.
Mit den Gedanken eines ganz besonderen Artikels im Kopf stand ich mir selbst im Weg und der Blogbeitrag staubte an. Inzwischen begutachte ich auch meine Fotos kritisch, die man weit besser bearbeiten könnte (aber ich Depp hatte die raw-Dateien nicht archiviert – Anfängerdefizit). Ich hab mich jetzt entschieden statt den geplanten Traumartikel überhaupt mal einen Artikel über den Dom zu schreiben! Somit: Viel Spaß beim Lesen, und vor allem beim Besuch – der lohnt sich! Der Bergische Dom hält eine Menge Superlative für Euch bereit. Und mit einer Führung ist der Besuch ein besonderer Genuss, wie ich selten eine Kirchenführung erlebt habe.

Der Bergische Dom: Wahre Schönheit kommt von innen

Mitten im Bergischem Land im Tal der Dhünn steht heute noch stolz die Klosterkirche der ehemaligen Abtei Altenberg. Aufgrund der Größe und äußeren Erscheinung wird die Kirche auch Altenberger Dom genannt. Bisher reizte mich der Dom nicht sonderlich. Bei meinen Besuchen lockte mich eher die umgebende schöne Natur.

Altenberger Dom

Idylle aus dem Bergischen

Altenberger Dom

Das Wetter spielt bei unserem Ausflug mit

Außenansicht Altenberger Dom

Außenansicht Altenberger Dom

Versteht mich nicht falsch. Gotteshäuser sind in erster Linie Kirchen und keine Sightseeingobjekte. Allerdings findet man in Kirchen oft Geschichten hinter der Geschichte und lernt eine Menge aus vergangenen Zeiten.
Als ich mich mit David zur Besichtigung des Altenberger Doms verabredet habe, war ich nicht wirklich überzeugt, dass das ein spannender Ausflug werden würde. So schlicht und fast einfältig wirkt die Eingangsseite der Kirche von außen. Meine Einstellung ändert sich schlagartig, als wir den Dom betreten. Eine besondere Atmosphäre umgibt uns. Wie sich das Licht durch die Fenster bricht und das Kirchenschiff erleuchtet, ist atemberaubend. Eine Frau schmückt die Bänke für eine Hochzeit am Nachmittag und der Dom erhält eine wahre Blütenpracht. Ich bin begeistert von dem Gesamtanblick – doch die besonderen Geschichten folgen erst noch, zwinkert mir David zu.

Altenberger Dom

Der Dom wird für die Hochzeit geschmückt

Der Altenberger Dom wird in der Region auch “Bergischer Dom” genannt. Dabei ist der Dom eigentlich „nur“ eine Kirche und war der ehemaligen Zisterzienser-Abtei Altenberg (1133-1803) angegliedert. Heute gehört er dem Land NRW und wurde Pfarrkirche der Kath. Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt in Altenberg. Seit 1857 wird der Altenberger Dom auf Anordnung des preußischen Königs simultan durch evangelische Christen mitbenutzt. (Hinweis einer Leserin, siehe Kommentar: „Der Dom wird nicht nur mit benutzt, sondern wird gemeinsam geschwisterlich genutzt.“) Das so etwas bereits damals erfolgreich zwischen Katholiken und Evangelen gelebt wurde, war mir neu.
Baulich hatten die Franzosen die Nase vorn und gaben das Vorbild zum einstigen Dom: Nach französischen Vorbildern errichtete man 1259-1379 eine turmlose Querschiff-Basilika mit Chorumgang und Kapellenkranz. Nach einem Brand im Jahre 1815 erfolgte der Wiederaufbau von 1833 bis 1847.

Das größte gotische Kirchenfenster nördlich der Alpen

Ich laufe ein paar Schritte in den Dom, schaue links, schaue rechts. David fordert mich auf, mich umzudrehen und dann sehe ich ein besonderes Kunstwerk. Still, ehrfürchtig und hingerissen schaue ich auf das Kirchenfenster mit Glasmalerei der Spitzenklasse. Eingerahmt von den klaren eher strengen Formen der Säulen und Mauern wirkt das Westfenster gigantisch. Das bunte Licht ist eine Augenweide. Wir blicken auf das größte gotische Kirchenfenster nördlich der Alpen. 18 Meter hoch und acht Meter breit misst dieses Meisterwerk – imposante 144 Quadratmeter. Auf acht Bahnen ist das Fenster unterteilt. Das Himmlische Jerusalem ist abgebildet. Das ist der einzige figürliche Schmuck im Dom. Seit 1400 thront dieses Juwel in Odenthal. Mit der Fenstereinsetzung war nach fast 150 Jahren Bauzeit die gotische Abteikirche endlich vollendet.

Altenberger Dom

144 QM: Das größte gotische Kirchenfenster nördlich der Alpen

Altenberger Dom

18 Meter hoch und acht Meter breit misst dieses Meisterwerk

Schlichtheit und Reduzierung sind maßgebliche Bauvorgaben des Doms

Wie kommt es zu solch einem Prunk und Erbe in einem schlichten Dom? Ursprünglich wurde das Kloster angelegt, mit der Vorgabe kein repräsentativer Bau zu sein, berichtet mit David. Zierrat wurde weggelassen, war bei den Ordensbrüdern sogar verpönt. Die Klarheit Gottes soll sich in einem schlichten Kirchbau wiederfinden. Lediglich die Säulenkapitelle des Chorgangs sind mit Blättern des Bergischen Waldes geschmückt und erhalten mit den Schlussteinen einen Hauch farblicher Tönung. Farben wurden sparsam verwendet, um nicht von der klaren Architektur abzulenken. Auf einmal sehe ich die „Einfältigkeit“ des Doms – so wie ich es vorher empfunden habe – mit ganz anderen Augen. Anerkennend schaue ich mich im Dom mit neuem Blick um. Ich muss den Klosterbrüdern Recht geben: Ruhe strahlt die Minimierung aus und verstärkt eine Konzentration auf das Wesentliche.

Altenberger Dom

Klare Fenster, schlichte Architektur – Ausnahme: Grüne Blätter des Bergischen Landes auf leicht oranger Farbgebung

Altenberger Dom

Dezente Farbgebung bei den Schlusssteinen und Säulen

Altenberger Dom

Nur Blätter des Bergischen Waldes wurden im leichten Grün auf den Säulen als dezenter Zierschmuck angebracht – die blasse, zielgerichtete Architektur überwiegt

Im Laufe der Jahrhunderte verfolgte man die Reduzierung von kirchlichem Schmuck in der Architektur nicht mehr so streng wie in den Anfängen des Bergischen Doms. David führt mich von Ost nach West und zeigt mir an Hand der Fenster diese Veränderung. Wenn man genau hinschaut entdeckt man sogar zwischen einzelnen Blätterranken Drachen- und Rinderköpfe, die die mittelalterlichen Maler dort gut versteckt haben.
An meinem Besuchstag war ich leider noch ohne Tele ausgerüstet, so kann ich Euch kein Bild liefern – da müsst Ihr nun selbst auf die Suche nach diesen versteckten Geheimnissen gehen.

Die größten Bestände mittelalterlicher Glasmalereien in Deutschland

Neben dem faszinierenden Westfenster beherbergt der Altenberger Dom die größten Bestände an mittelalterlichen Glasmalereien in Deutschland. 54 Fenster sind erhalten geblieben. Neben den farbenfrohen Ornamentfenstern im Westflügel gibt es auch einfache aber jahrhundertalte Blankverglasungen. 

Altenberger Dom

Mit Schlichtheit schön und doch die Seele wärmend

Pfiffige Mönche und ihre Grissaillefenster

Nicht jedem Ordensbruder gefiel die schlichte Farblosigkeit des geliebten Doms, lässt David mich wissen. Er führt mich zu den Fenstern im Ostchor und berichtet, dass sie zu den schönsten noch erhaltenen mittelalterlichen Grissaillefenstern in Deutschland gehören. Den Mönchen war es laut Ordensregel verboten, farbiges Glas für ihre Kirchenfenster zu verwenden. Also bemalten die Mönche ihr farblose Scheiben mit floralen Mustern mit grauer und schwarzer Farbe. Diese Technik nennt man Grisaille, was vom französischen gris = grau abstammt. Warum sehe ich dann doch Farbreflexe und leicht schimmerndes Grün? Auch da weiß David eine Antwort für mich: 

Altenberger Dom

Die Grissaillefenster wurden mit pfiffiger Ideen der Mönche doch farblich gestaltet

Verunreinigungen bei der Glasherstellung sind für die Farbreflexe verantwortlich. Enthielten die Quarzsande bei der Glasherstellung Kupferspuren, so wurde das Glas grünlich. Baut man zufälligerweise als damaliger Ordensbruder die Fenster in Doppelverglasung ein, verstärkt sich der Effekt der Lichtreflexe und sanfte Farbvarianten schimmern vom Ostfenster in den Dom – ohne das ein Ordensbruder je gegen die Ordensregel verstoßen hatte. Wo ein Wille ist, gibt es halt immer einen Weg, oder? Überwältigt lasse ich meinen Blick über die Fenster gleiten. Die gotische Architektur verstärkt auch hier die Lichtspiele.

Altenberger Dom

Die gotische Architektur begünstigt die schönen Lichtspiele im Dom

Noch mehr Geschichte(n)

David führt mich weiter durch die dreischiffige Basilika und weiß an jeder Ecke Spannendes zu berichten – dabei funkeln seine Augen leidenschaftlich. Von den Verquickungen mit den Herren von Berg über Klosterhistorie und besondere Reliquien. Wir gehen an zahlreichen Hochgräbern und Grabplatten der weltlichen und geistlichen Fürsten vorbei. Es kommt mir vor wie ein Film, wenn David mir über die bergischen Adelsgeschlechte der Herzöge und Grafen berichtet. Anschaulich beschreibt er mir das damalige Klosterleben und ich klebe an seinen Lippen. So macht Heimatgeschichte Spaß!
Wer möchte, kann außerhalb des Doms weiter auf Geschichtstour gehen: Gärten, Felder und Weiden erzählen ihre eigenen Anekdoten (siehe dazu auch Links im unten stehenden Servicebereich). Zudem gibt es weitere Zeitzeugen in der Region wie beispielsweise die Markuskapelle. Im ehemaligen Konversenflügel des Klosters befindet sich heute der Dom-Laden.
Draußen drehe ich alleine eine Runde um den Altenberger Dom und lasse die Eindrücke wirken. Direkt gegenüber dem Dom liegen unweit zwei Lokalitäten: Das Gasthaus Altenberger Küchenhof und das Hotel Altenberger Hof. In beiden herrscht reges Treiben. Es hat den Anschein sie bereiten sich auf die kommende große Hochzeit vor. Erste Autos mit entsprechendem Schmuck rollen an. Ich lasse mich auf der Terrasse des Altenberger Hofs nieder und genieße einen Tee bevor ich nach diesem phantastischen Ausflug weiter durch das schöne Bergische Land fahre..

Altenberger Dom

Auch von außen schön: Der Altenberger Dom

Altenberger Dom

Von außen nehme ich erst einmal die Gesamtgröße des Doms wahr (heute könnte ich es Euch mit Weitwinkel auch fotografisch festhalten ;-))

Service: Wissenswerte Links für Euren Besuch im und um den Altenberger Dom

Offenlegung: Meine Reise ins Bergische Land wurde unterstützt vom Tourismus NRW e.V. und der Naturarena Bergisches Land GmbH. Ganz herzlichen Dank – besonders an David Bosbach – für die eindrucksvolle Führung. Meine Meinung bleibt wie immer die eigene. Ich erhielt kein Honorar für diesen Artikel.
Wenn Ihr mehr zu Ausflugszielen in NRW erfahren wollt, folgt im Socialweb dem Hashtag #DeinNRW. Hier im Blog findet Ihr darüber hinaus noch weitere schöne NRW-Tipps. Außerdem gibt es NRW in meiner bunten Tüte.

 

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15 Kommentare

  1. Jürgen L.

    Sehr interessanter Artikel. Die Bilder vom grossen Fenster haben mir sehr gut gefallen.

    Ich möchte ein kleines Update für kommende Besucher geben.
    Die Führungen finden am Wochenende und an Feiertagen statt. Gemeint sind kirchliche Feiertage. Gestern am 1.5. war leider keine Führung. Die Audio Guides gibt es nicht mehr. Bei der Touristinfo bekommt man aber 3 Flyer für einen Rundgang.

    Mir hat meine Zeit dort richtig gut getan.

  2. Sorry,
    aber auch mitbenutzt ist nicht richtig. Wir nutzen ihn gemeinsam und legen auf dieses geschwisterliche miteinander auch seht viel wert. Er ist also Pfarrkirche der Kath. Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt und zugleich Gemeindekirche der Ev. Domgemeinde Altenberg.

    • Mira, Ich hab es so geschrieben, wie ich es auf der Führung gehört habe und anschließend recherchiert hatte. Dann müssen noch viele Internetseiten dazu umgeschrieben werden. Dein Engagement in Ehren: Ich habe Dich mit dem Hinweis oben in den Text eingefügt. Damit ist für mich auch Schluss der Änderungen dazu.
      Ganz ehrlich: Den Leser hier im Blog interessiert nicht emsig, welche Konfession den Dom nutzt oder gehört. Es geht um einen Ausflugstipp.
      Wünsche Dir noch einen schönen Tag und viele schöne Stunden in Eurem schönen, interessanten Dom ;-)

  3. Netter Artikel. Leider an der ein oder anderen Stelle doch falsch.

    Der Dom gehört nicht der katholischen Gemeinde (die die ev. Gemeinde mitbenutzen lässt – ha ha)
    Er gehört dem Land NRW- Hausherr ist der/die jeweilige Ministerpräsident/in. Es ist lediglich eine Nutzung von beiden Kirchengemeinden gestattet.
    Und noch eine Anregung: als übergreifende Website wäre http://odenthal-altenberg.de/ statt die der katholischen Gemeinde sinnvoller.

    • Nett ist die Schwester von… ;-)
      Erst einmal: Danke für Deinen Hinweis. Da waren die Webseiten auf denen ich recherchiert habe wohl falsch. Habe mich nach Deinem Hinweis noch einmal auf die Suche begeben. Du hast Recht, ich ändere das oben ab. Danke Dir dafür.
      Welcher Link allerdings sinnvoller ist, dass nehme ich mal als Blogfreiheit für mich heraus ;-)

  4. Wow, ein unglaublich interessanter und sehr schön geschriebener Beitrag. Vielen Dank dafür :) Ich habe das Gefühlt, dass ich nun auch da war :)

    Alles Liebe
    Vivi

  5. Sehr schön, dass Du Dir diese wunderbare Kirche „vorgenommen“ hast – ich mag sie, seit ich sie in den 60er Jahren kennenlernte. Es geht mir mit ihr wie mit dem Mariendom in Neviges … ich muss immer wieder mal hin. Kaum zu glauben, weil ein größerer Unterschied als der zwischen diesen beiden Gotteshäusern kaum vorstellbar ist… ist aber so 😁😁😁

  6. Christiane

    Danke für den wunderbaren Beitrag über den Altenberger Dom, den ich sehr mag und schon mit den Eltern vor vielen, vielen Jahren besucht habe. Man entdeckt auch immer wieder etwas Neues, wenn man ihn besucht. Aber auch schräg gegenüber ist der alte Klostergarten mit seinen schönen Beeten sehenswert.

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