Fast jede zweite Flasche Olivenöl, die in Italien abgefüllt wird, stammt aus Apulien. Die Region ist das Herz der italienischen Olivenölproduktion und trägt mit 40 bis 50 Prozent zur nationalen Ernte bei. Dabei ist die Qualität vieler Olivenöle trotz der Masse auf höchstem Niveau. In Apulien wird fast ausschließlich traditionell von Hand geerntet. In jedem Tropfen Olivenöl steckt die Seele Apuliens, die Essenz einer jahrtausendealten Kultur und die Leidenschaft einer ganzen Region.
Apulien, die sonnenverwöhnte Region im Süden Italiens, ist ein Paradies für Olivenliebhaber. Sanfte Hügel, gesäumt von silbergrünen Olivenhainen, prägen die Landschaft. Meine Gebeco-Rundreise führte mich in das malerische Itria-Tal, genauer gesagt nach Cisternino, wo die Familie D’Amico seit über einem Jahrhundert die Kunst der Olivenölproduktion pflegt. Il Frantolio D’Amico ist eine der traditionsreichsten Ölmühlen der Region und ich freue mich auf meine erste italienische Ölverkostung auf dem Bio-Bauernhof.
Inhaltsverzeichnis
Die Familie D’Amico und ihre Leidenschaft für Olivenöl
Schon beim Betreten der Ölmühle spüre ich die einzigartige Atmosphäre dieses Ortes. Umgeben von zart duftenden Olivenbäumen strahlt der Hof Il Frantolio D’Amico Ruhe aus. Hier trifft Innovation auf Tradition. Die Herstellung von Olivenöl ist hier mehr als ein Handwerk – es ist eine Lebenseinstellung. Pietro D’Amico, der charismatische Kopf des Familienbetriebs, empfängt mich mit offenen Armen. Seine Augen leuchten, als er von der Geschichte seiner Familie erzählt, die seit 1917 eng mit dem Olivenanbau verbunden ist. „Meine Großeltern haben mir beigebracht, dass nach der Muttermilch das Olivenöl extra vergine kommt“, sagt er mit einem warmen Lächeln. Diese tiefe Verbundenheit mit dem „flüssigen Gold“ ist in jeder seiner Gesten spürbar. Seine Olivenöle haben in den letzten Jahren viele Auszeichnungen gewonnen und sind weit über die Grenzen Italiens hinaus bekannt.
Besonders beeindruckend ist die Philosophie der Familie: Biologischer Anbau und Nachhaltigkeit stehen an erster Stelle. Die Olivenhaine werden liebevoll und im Einklang mit der Natur gepflegt, ganz ohne Chemie. Pietro erklärt, dass die Oliven von Hand gepflückt werden, sobald sie die perfekte Reife erreicht haben und sich ihre Farbe zu verändern beginnt. Diese schonende Methode schont nicht nur die jahrhundertealten Bäume, sondern garantiert auch das unvergleichliche Aroma des Olivenöls.
Schatten über den Olivenhainen: Das Olivenbaumsterben
Doch die Idylle des Olivenanbaus in Apulien ist nicht ungetrübt. Seit 2013 breitet sich das Bakterium Xylella fastidiosa (Feuerbakterium) aus und hat verheerende Auswirkungen auf die Olivenbäume, vor allem im Salento, einer Region im Süden Apuliens. Die Ausbreitung des Bakteriums wurde durch die weit verbreitete Monokultur in der Region begünstigt. Schätzungsweise ein Drittel der Olivenbäume in Apulien sind betroffen und vertrocknen. Doch es gibt Hoffnung: Die in Apulien weit verbreitete Sorte Leccino ist resistent gegen das Bakterium und bleibt verschont.
„Apulien ist das Herz der italienischen Olivenölproduktion“, erklärt uns unser Reiseleiter Claudio, „mit über 50 Millionen Olivenbäumen und einer unglaublichen Artenvielfalt. Das Sterben der Olivenbäume ist ein Weckruf, der die Verletzlichkeit der Natur und die Notwendigkeit einer nachhaltigen Landwirtschaft aufzeigt“. Gleichzeitig experimentieren einige Bauern mit Kreuzungen, zum Beispiel mit der Sorte Arbosana, die ebenfalls als resistent gilt. „Im Salento gibt es inzwischen Anzeichen einer Erholung“, berichtet Claudio, „einige Bäume, die jahrelang befallen waren, zeigen wieder grüne Triebe und geben Hoffnung, dass bei richtiger Pflege nicht alles verloren ist.“
Trotz des Baumsterbens hat die Leidenschaft der Familie D’Amico nicht nachgelassen. Mit Entschlossenheit und unermüdlichem Einsatz kämpfen sie für ihre Bäume und die Zukunft des Olivenanbaus. Ihr Engagement ist inspirierend und zeigt, dass auch in schwierigen Zeiten die Liebe zum Olivenöl und zur Heimat ungebrochen ist.
Eintauchen in die Welt des Olivenöls: Von jahrhundertealten Traditionen zu modernster Technologie
Mein Rundgang durch die Ölmühle Il Frantolio D’Amico wird zu einer faszinierenden Zeitreise. Im alten Teil des Gebäudes, einem charmanten Trullo aus Naturstein, erzählen die traditionellen Steinmühlen von längst vergangenen Zeiten, als Esel geduldig im Kreis liefen, um die Oliven zu mahlen. Der Duft des frisch gepressten Öls erfüllt die Luft und lässt erahnen, wie mühsam und erfüllend diese Arbeit einst gewesen sein muss.
Ein paar Schritte weiter öffnet sich eine andere Welt: In den modernen Produktionshallen surren Maschinen und glänzen Edelstahlbehälter. Hier wird das Olivenöl mit modernster Technik schonend und effizient gewonnen. Claudio erklärt mir jeden Schritt des Prozesses, von der sorgfältigen Reinigung der Oliven bis zur Abfüllung des fertigen Produkts. Die Familie D’Amico verbindet gekonnt Tradition und Innovation, um ein Olivenöl von höchster Qualität herzustellen, das den Ansprüchen des modernen Verbrauchers gerecht wird. Höhepunkt des Besuchs ist zweifellos die Verkostung.
Die Kunst der Olivenölverkostung
In einem angenehm kühlen Raum des alten Bauernhauses, dessen rustikaler Charme zum Verweilen einlädt, darf ich verschiedene Olivenöle verkosten. Claudio und Pietro führen mich durch die faszinierende Duft- und Geschmackswelt des apulischen Olivenöls. Ich lerne, auf die feinen Nuancen von Gras, Kräutern, Mandeln und sogar Tomaten zu achten, die sich im Olivenöl widerspiegeln. Dabei wird mir die unglaubliche Vielfalt der apulischen Olivensorten bewusst. Jede Sorte – ob die zarte Peranzana, die ausgewogene Ogliarola oder die robuste Coratina – hat ihren eigenen Charakter und ihr eigenes Geschmacksprofil. Von mild und fruchtig bis kräftig und würzig eröffnet sich mir eine ganze Palette von Aromen, die mich immer wieder aufs Neue überraschen und begeistern.
Die Verkostung von Olivenöl ist ein wahres Sinneserlebnis. Um die Aromen und Geschmacksnoten voll zu erfassen, gibt es einige Tipps und Tricks, die ich von den beiden leidenschaftlichen Süditalienern lernen durfte:
- Temperatur: Olivenöl sollte Zimmertemperatur haben, damit sich seine Aromen voll entfalten können.
- Glas: Benutze ein kleines, tulpenförmiges Glas, um das Olivenöl zu erwärmen und die Aromen zu konzentrieren.
- Erwärmen: Das Glas mit der Handfläche verschließen und leicht schwenken, um das Olivenöl zu erwärmen.
- Riechen: Das Glas an die Nase halten und tief einatmen, um die Aromen wahrzunehmen.
- Schmecken: Nimm einen kleinen Schluck Olivenöl und verteile es im Mund, um alle Geschmacksknospen zu erreichen.
- Schlürfen: Ein wenig Luft einatmen, um die Aromen im Mund zu intensivieren.
- Nachgeschmack: Achte auf den Nachgeschmack, der dir einen Hinweis auf die Qualität und Komplexität des Olivenöls gibt. (Es ist erstaunlich wie unterschiedlich und manchmal auch pfefferig-scharf Olivenöl schmecken kann! Probiert es mal aus.)
Die Verkostung von Olivenöl ist eine sehr subjektive Erfahrung. Jeder Mensch nimmt Aromen und Geschmacksnoten anders wahr. Wichtig ist, sich Zeit zu nehmen, die Sinne zu öffnen und sich auf das Erlebnis einzulassen.
6 wertvolle Tipps zum Olivenöl
Damit du auch zu Hause das Beste aus deinem Olivenöl herausholen kannst, habe ich hier sechs wertvolle Tipps von den Experten in Apulien:
- Wie so oft im Leben: Qualität geht vor! Beim Kauf sollte man auf ein hochwertiges Olivenöl achten, idealerweise ein Olivenöl aus biologischem Anbau.
- Dunkel und kühl lagern: Olivenöl ist lichtempfindlich und sollte daher dunkel und kühl gelagert werden, am besten in einer dunklen Glasflasche.
- Frisch genießen: Olivenöl ist ein Naturprodukt mit begrenzter Haltbarkeit. Um den vollen Geschmack zu genießen, sollte es innerhalb von 12 bis 18 Monaten nach der Ernte verbraucht werden. „Besser maximal 12 Monate“, gibt uns Claudio den Rat seiner apulischen Nonna weiter.
- Das richtige Öl für den richtigen Zweck: Mildes Olivenöl eignet sich hervorragend für Salate und leichte Gerichte, während intensivere Öle perfekt zu gegrilltem Fleisch oder deftigen Speisen passen. Experimentieren lohnt sich, um den richtigen Geschmack für jedes Gericht zu finden.
- Echtes extra natives Olivenöl erkennen: Ein gutes extra natives Olivenöl zeichnet sich durch fruchtige Aromen und einen leicht bitteren, würzigen Geschmack aus. Die Angabe der Olivensorte und des Erntezeitpunktes auf dem Etikett sind weitere Qualitätsmerkmale.
- Vorsicht bei naturtrübem Olivenöl! Obwohl naturtrübes Olivenöl hierzulande oft als besonders authentisch gilt, ist davon abzuraten. Die darin enthaltenen Fruchtfleischpartikel können oxidieren und gären. Dadurch steigt der Ölsäuregehalt und die Qualität des Olivenöls leidet. Ein klares, dekantiertes Öl ist in der Regel hochwertiger und länger haltbar.
Olivenöl ist in Apulien mehr als nur ein Lebensmittel. Es ist ein Stück Kultur, Ausdruck von geselliger Lebensfreude und ein Geschenk der Natur. Die Verköstigung hat mich begeistert und der Einkauf der leckeren Olivenöle für zu Hause ebenso.
[…] ein traditionelles Mittagessen in einer alten apulischen Ölmühle […]