Buchtipp: Der Tag, an dem die Kreuzfahrt auf Grund lief

Corona, Covid, Pandemie – Worte die unsere letzten Jahre geprägt haben. Auch der kommende Wegfall der Coronamaßnahmen wird nicht auflösen, dass Corona uns noch weiter begleiten wird. Franz Neumeier hat sich der Covidmaterie mit seinem Spezialthema genähert und ein neues Buch herausgebracht: Der Tag, an dem die Kreuzfahrt auf Grund lief.

Interview mit dem Autor Franz Neumeier

Sein Buch Der Tag, an dem die Kreuzfahrt auf Grund lief ist eine besondere Chronik. Franz Neumeier sagt über sein Buch:

Dieses Buch dokumentiert, wie die Kreuzfahrt zu Beginn des Jahres 2020 mit hilfloser Unausweichlichkeit auf Grund läuft, warum sich einzelne Dramen so entwickelt haben, wie man es sich zuvor kaum vorstellen konnte und wie die Branche in erstaunlicher Manier aus dem völligen Stillstand ein Comeback hingelegt.

Ich blättere durch die ersten Seiten des Buches. Ich bin kein Fan von Coronathemen, versuche ehrlich gesagt, nach meinem persönlichen Erlebnissen der letzten Jahre, zu lange Auseinandersetzungen mit negativen Themen zu vermeiden. Möchte vielmehr positiv nach vorne blicken und das Leben im „Genuss- und Have-Fun-Modus“ erleben. Das soll nicht oberflächlich klingen (und ist es auch nicht), aber die letzten Jahre haben mich leider mit langer Krankheit und familiären Schicksalsschlägen dazu gebracht, mehr den Moment zu würdigen und zu genießen. Jetzt sitze ich mit Tee auf dem Sofa und lese etwas, was ich innerlich eigentlich „wegparken“ möchte. Doch dann tauche ich tiefer in Franz Buch ein, lese mich fest, bin fasziniert, lasse mich von der Dramatik fesseln.

Als ich neugierig meine erste Kreuzfahrt unternehme und in Civitavecchia auf meine Einschiffung auf die Costa Smeralda warte, begleitet mich mitten in der Pandemiezeit auch ein seltsames Gefühl. Ich warte auf mein Ergebnis des PCR-Tests, eine zwingende Voraussetzung im Juni 2021, um an Bord gehen zu dürfen. Ich bestaune das große Schiff, sehe aber auch weiter hinten auf dem Meer Schiffe liegen, die vor dem Hafen auf ihren Einsatz warten. Noch weiß keiner wie lange das noch dauern wird. Die Schiffe sind aktuell nicht nur mit wenigen Gästen belegt, viele Kreuzfahrtschiffe sind darüber hinaus gar nicht im Einsatz.
Genau auf dieser Reise habe ich Franz Neumeier kennengelernt. Der Kreuzfahrt-Profi und Experte war für mich als Neuling auf dem Meer mit großen Kreuzfahrtschiffen eine perfekte Reisebegleitung.

Franz, was hat Dich dazu gebracht als Kreuzfahrt-Fan gerade zu dem Thema Corona eine Dokumentation zu schreiben – ausgerechnet das Thema, welches die Schiffe und die ganze Branche zum Erliegen gebracht hat?

Obwohl ich mich täglich mit diesen Themen beschäftige, ist mir sogar an mir selbst aufgefallen, dass ich schon nach weniger als zwei Jahren anfing, die Absurditäten und Monstrositäten zu Beginn der Pandemie zu vergessen. Ich habe meine eigenen News-Texte von vor zwei Jahren gelesen und gedacht: „Dass musst Du zusammenfassen und dokumentieren, sonst kann sich da bald niemand mehr daran erinnern.“ Geschichte ist wichtig, um für die Zukunft zu lernen. Sie hilft aber auch, die Gegenwart gelassener zu sehen und wahrzunehmen, wie viel weiter wir seit damals gekommen sind, in so kurzer Zeit. Das macht mir Mut. Und natürlich waren viele damals auf den Schiffen unterwegs. Jeder hat da seine eigenen Erinnerungen, aber selten das Gesamtbild vor Augen.

Du hast akribisch Fakten ermittelt, Details recherchiert und stellst Zusammenhänge her, die bisher so für die Kreuzfahrtbranche noch nicht dokumentiert wurden. War es schwierig für Dich an die Informationen zu kommen?

Vieles hatte ich selbst bereits damals dokumentiert. Corona-Fallzahl an Bord, Neustart-Termine einzelner Schiffe und Ähnliches habe ich von Anfang an erfasst, um später darauf zurückgreifen zu können. Aber ganz viele kleine Details waren dann doch ein hartes Stück Recherche-Arbeit, weil in der Zeit viel drunter und drüber ging, in den Medien vieles nicht ganz so genau genommen wurde und daher oft widersprüchliche Informationen vorlagen.

Was gab es zu Beginn der Pandemie an Skurrilem und Absurdem in der ganzen Situation?

Besonders schlimm fand ich die Situation der Schiffe, die zu Beginn der Pandemie kranke Passagiere an Bord hatten, und Länder sich reihenweise weigerten, sie aufzunehmen. Einige, wenige starben in Süd- und Mittelamerika sogar an Bord. Eher skurril war dagegen beispielsweise, dass Passagiere und Crew in Reunion von Einheimischen mit Flaschen beworfen wurden, aus Angst, sie könnten Corona ins Land tragen, obwohl die Schiffe ganz offensichtlich keine Fälle an Bord hatten. Aber am meisten persönlich berührt hat mich die Situation der Crew nach dem Shutdown der Kreuzfahrt, die oft monatelang irgendwo auf Schiffen oder an Land festsaß, ohne klare Perspektive, wann sie nach Hause reisen können oder dürfen. Das waren Zehntausende menschliche Tragödien.

Während die gesamte Tourismusbranche noch geschockt war und lahm lag, kam mir es so vor, als ob die Kreuzfahrtbranche sich schneller der Situation angepasst hatte. Ich lese in Deinem Buch wie flott die Kreuzfahrt wirkungsvolle Infektionsschutzkonzepte entwickelte und schon ab Sommer 2020, lange vor Zulassung der ersten Impfstoffe, wieder erste Kreuzfahrtschiffe in See stachen. Was sind aus Deiner Sicht dafür die Hintergründe und vielleicht auch die Erfolgsgeschichte dazu?

Die Kreuzfahrt ist etwas sehr Komplexes und vor allem auch sehr viel Erfahrung mit Hygiene-Konzepten, weil für sie schon immer sehr strenge Regeln galten. Daher musste die Kreuzfahrt „Infektionsschutz“ nicht neu erfinden, sondern eigentlich nur ihre bestehenden Konzepte anpassen und verfeinern. Das Hauptproblem für die Kreuzfahrt war nicht der Infektionsschutz, sondern die komplizierten und sich oft widersprechenden Gesetze und Regelungen sowie Vorurteile der angelaufenen Länder gegenüber der Kreuzfahrt allgemein.

Dein über 200-Seiten starkes Buch handelt nicht nur von Europa, sondern nimmt den Leser auch mit zur weltweiten Coronalage auf Kreuzfahrtschiffen. Was ist für Dich mit internationalem Blick das Bedeutendste, was Du recherchiert hast?

Das ist gar nicht einmal so ein einzelnes Faktum als vielmehr das Gesamtbild, wie robust und schnell die Kreuzfahrt auf so eine existenzielle Krise reagieren konnte. Und etwas anderes, eher indirektes, das sich mir während der Recherche viel deutlicher erschlossen hat: Wie kleinstaaterisch unsere Welt doch trotz aller Globalisierung ist und wie schnell gemeinsames Handeln in sich zusammenfallen kann. Nationale Regeln gingen eine Zeitlang über alles, auch über jede Vernunft. Die aktuelle Reaktion auf den Ukraine-Krieg, bei aller Brutalität dieses Kriegs, macht mir angesichts der Einigkeit fast der gesamten Welt dagegen wieder Hoffnung, dass es auch anders geht.

Ich möchte nicht zu viel zu Deinem Buch vorweg nehmen. Aber verrate uns doch zum Abschluss, wie Du die aktuelle Situation einschätzt. Einige Reedereien haben aufgegeben. Werften müssen Personal reduzieren und sich neue Geschäftsfelder überlegen. Andere Kreuzfahrtreedereien legen neue Routen auf und führen moderne LNG-Schiffe ein. Gewinnen kleiner Kreuzfahrtschiffe gegen die großen Ozeanriesen? Welche Entwicklung werden wir aus Deiner Expertensicht für die Kreuzfahrt erleben?

Die Herausforderung für die Kreuzfahrt-Branche wird sein, den in der Pandemie angesammelten Schuldenberg von wahrscheinlich mehr als 50 Milliarden Euro möglichst schnell abzubauen. Aber abgesehen davon melden die Reedereien Buchungszahlen, die die Rekorde der Zeit vor der Pandemie übertreffen. Das Geschäft kehrt schnell zurück. An den Trends vor der Pandemie wird sich wohl nicht viel ändern, Expeditionsschiffe sind begehrt, aber auch die ganz großen, schwimmenden Freizeitparks. Und mittelgroße Schiffe finden neue Routen und ein neues Publikum. Der Markt wird weiter wachsen. In der Umwelttechnik schreitet die Entwicklung aktuell relativ schnell voran, also eben zum Beispiel mit LNG als halbwegs sauberen Treibstoff, aber auch schon mit Akku-Technik, Versuche mit Brennstoffzellen und Ähnlichem. Da tut sich gerade sehr viel.

Danke für das Interview und Dein Expertenwissen, Franz. Dein Buch Der Tag, an dem die Kreuzfahrt auf Grund lief ist aktuell auf Platz 1 zum Them Kreuzfahrten bei Amazon gelistet. Jetzt weiß ich warum: Das Buch ist gut recherchiert und kurzweilig geschrieben! Es ist eine gelungene Dokumentation zur Kreuzfahrtbranche und vielleicht auch Lesestoff für Euch oder einen Freund/Freundin, der Kreuzfahrten liebt.

Franz Neumeier, Experte, Journalist und Blogbetreiber von www.cruistricks.de, (Fotograf: Oliver Asmussen)

Franz betreibt den vielfach ausgezeichneten Blog www.cruisetricks.de seit vielen Jahren.  Mit seinem Blog und zahlreichen Veröffentlichungen ist er der Kreuzfahrt-Ratgeber schlechthin. Der erfahrene Journalist ist Experte zu allen Kreuzfahrtthemen und Anlaufpunkt für alles rund um Schiffe, Kreuzfahrten und Kreuzfahrt-Reiseziele.

Offenlegung: Das Buch „Der Tag, an dem die Kreuzfahrt auf Grund lief“ wurde mir vom Autor Franz Neumeier zur Verfügung gestellt. Für den Artikel erhielt ich kein Honorar. Meine Meinung bleibt wie immer die eigene!

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