Wer kennt sie nicht, die traumhaften Fotos mit pittoresken Fachwerkhäusern aus Colmar? Bunt und verspielt schmiegen sie sich aneinander. Man spürt förmlich beim Anblick, wie alte Zeiten im Kopf lebendig werden. Diese Fotos, die mir im Internet immer wieder auffielen, waren der Grund, warum ich unbedingt mal ins Elsass musste. Als ich dann die Stadt Colmar anfuhr, wirkte alles anders und gar nicht so idyllisch wie auf diesen Fotos.
Colmar ist die „Hauptstadt“ der elsässischen Weinstraße und neben Mülhausen und Straßburg die drittgrößte Stadt im Elsass. Hätte man vorher wissen können, mich überraschte die Größe und das moderne Stadtleben. Inzwischen schon ein paar Tage auf Frankreichs Straßen geübt, buxiere ich Dudu (mein geliebtes Auto) zum Abend gekonnt durch etliche Kreisverkehre. Und wenn ich etliche schreibe, ist das wörtlich zu nehmen. Kommt der Erfinder des Kreisverkehrs eigentlich aus Frankreich? Die Nacht zuvor habe ich im Münstertal auf einer beschaulichen Berghütte übernachtet und das pulsierende Stadtleben nach Verlassen der Weinstraße kommt mir unwirklich vor.
Unwirklich ist vor meinen Augen auch auf einmal die Freiheitsstatue. New York? Soweit war ich doch gar nicht gefahren! Die 12 Meter hohe Nachbildung aus Kunstharz – so erfahre ich später im Hotel – wurde im Rahmen der Gedenkfeier des 100jährigen Todestages von Auguste Bartholdi erstellt, ein aus Colmar stammender Künstler und der Schöpfer der Freiheitsstatue. Wer hatte das gewusst? Ich jedenfalls nicht, als ich im Elsass meinen Weg zum Hotel suche.
Ich übernachte außerhalb der Altstadt von Colmar mit Nähe zum Zentrum. Das Odalys hatte kurzfristig noch ein moderates Einzelzimmer frei. Das Hotel ist modern ausgestattet, jedoch direkt an einer befahrenen Straße gelegen. Ein Vorteil ist der Hotelparkplatz, an dem ich am nächsten Tag meinen Wagen stehen lassen darf.
Frühstück auf französisch
Mit der Anreise hat Colmar mich noch nicht eingefangen. Wo ist das besondere Flair von Colmar, was alle mit verklärtem Blick beschreiben? Ohne Frühstück und vor allem ohne Kaffee verlasse ich das Hotel und bahne mir den Weg Richtung Zentrum. Colmar ist groß, Colmar ist voll. Aber dann spüre ich doch die Magie des besonderen Städtchens. Ich gelange in die Fußgängerzone und entdecke französische Straßencafés. Am noch frühen morgen findet sich leicht ein Plätzchen unter der Markise – in diesem Sommer leider ein Regen- statt Sonnenschutz.
Ich bestelle mir einen Café au Lait, ein Croissant und Briosch. Wann hat man schon die Möglichkeit, französisch so lecker zu frühstücken? Der Salon de Thé, Carole et Frédéric Logiou ist bei Einheimischen beliebt zu sein. Die Schlange zum Gebäckkaufen ist lang. An den Tischen um mich herum herrscht französisches Stimmengewirr und südländisches Gestikulieren. Ich verstehe kein Wort, aber jeder lächelt und grüßt freundlich mit einem Bonjour Madame. Solche Situationen sind für mich Urlaub pur. Ich erfreue mich an dem Andersartigen, liebe das Beobachten und genieße mein Frühstück. Während mein Blick über die Fachwerkhäuser der Einkaufsstraße wandert und ich an meinem Kaffee nippe, beginnt der Strom der Touristen. Mit Wanderschuhen, Outdoordress und umgehängter Kamera treiben sie tiefer Richtung Altstadt. Ich sehe nicht viel anders aus stelle ich schmunzelnd fest und folge mit aufkommender Sonne den Besuchern.
Postkartenidylle mit Shoppingparadies
Verzückt vom farbenfrohem Fachwerk laufe ich mit Kamera im Anschlag durch die Straßen. Manchmal werden aus den Straßen Gassen, verwinkelt und klein. Mehr als einmal drehe ich mich im Kreis und stehe verdutzt wieder an der Ausgangsstraße. Überall entdecke ich schnuckelige Cafés und Lädchen – ausgefallen, teilweise hippsterlike oder einfach nur schön. In Colmar kann man sich herrlich treiben lassen. Auch wenn die Altstadt sich immer mehr mit Besuchern füllt, ist hier jeder entspannt und freundlich.
Fast bekomme ich ein romantisches Overflow, da ein Fachwerkhaus schöner als das andere aussieht. Den Blick nach oben durch die Kamera oder auf das Handy gerichtet, stoße ich gedankenverloren mit einem iPad-fotografierenden Japaner zusammen. Alleine ist man in Colmar in den Sommermonaten nicht. Auch die Touri-Bimmelbähnchen drehen in hoher Frequenz ihre Runden. Dennoch hat Colmar etwas märchenhaftes und ganz Besonderes an sich. Ich bin begeistert.
Baustile – alles hat seine Zeit
Mir fällt auf, dass so einige Häuser nach oben hin ausladender werden. Auf kleinerem Sockel im Erdgeschoss werden die oberen Etagen größer. Schon damals waren die Grundstücke in Colmar heiß begehrt und teuer. Kurzerhand baute man Überhänge und schaffte auf diese Weise mehr Wohnfläche in den Obergeschossen.
Dabei sind die Erdgeschosse meistens aus Stein und nicht im Fachwerkstil gebaut. Eine Folge von Holzknappheit. Im Mittelalter wurde per Gesetz geregelt, dass erst die Obergeschosse aus Holz gebaut werden durften. Die Baukultur aus der Mischung Stein und Holz sollte den knapper werdenden Holzbestand schonen, denn Holz wurden dringend zum Heizen, Kochen und vieles mehr benötigt. Zudem befanden sich meistens die Küchen im Erdgeschoss und boten durch Steinbau etwas mehr Schutz vor Bränden.
Ich glaube, ich habe noch nie so viele Fachwerkhäuser auf einmal gesehen. Die ältesten von ihnen wurden bereits im 16. Jahrhundert gebaut. Erst später lese ich, dass viele Häuser in der Altstadt von Colmar überputzt wurden. Darunter befanden und befinden sich heute noch teilweise wertvolle Fachwerkperlen. Schwärmen wir heute von diesem Baustil, so galten Fachwerkhäuser in manchen Epochen auch als ländlich, bäuerlich und unsexy. Fachwerk galt als Armutshaus, in dem niemand wohnen wollte und wurde Ende des 19. Jahrhunderts gern verputzt, um den Anschein eines stattlichen Steinhauses zu geben. Im Laufe von Restaurierungsmaßnahmen wurden in Colmar viele Schätze der alten Baukultur wieder frei gelegt. Manchmal entdeckt man noch heute ein erschummeltes Steinhaus – zu erkennen an speziellen Holzfensterrahmen.
Liebe zum Detail
Die Romantik kennt keine Grenzen. Selten packe ich bei einem Stadtbummel mein Teleobjektiv aus und schon gar nicht schaue ich in fremde Fenster hinein. Eigentlich… Aber bei so viel geballter Schönheit und Nostalgieflair, fällt es mir schwer, nicht zu fensterln. Ob mit Ornamenten reich verziert oder schlicht und mit Blumen geschmückt, fast jedes Fenster hat seinen aparten Reiz.
Ich vergesse die Zeit, verliere mich fast in der Stadt, die 823 das erste Mal urkundlich erwähnt wurde. Jetzt verstehe ich, warum Colmar auch als Stadt für Tagträumer beschrieben wird. Seit dem ich versuche mit einer besseren Kamera schöne Fotos einzufangen, verschiebt sich mein Blick und meine Wahrnehmung. Colmar bietet eine Fülle von Vorlagen und Inspiration. Eigentlich bin ich jetzt schon zu spät dran, da ich mir an dem Tag noch weitere Dörfer anschauen wollte. Aber eigentlich ist es auch egal und ich lasse mich weiter treiben.
Ein Kaufhaus der besonderen Art
Beim Aufeinandertreffen der Straßen Grand’rue und der Rue des Marchands steht auf dieser wichtigen „Verkehrsachse“ des Mittelalters ein besonderes Haus. 1480 wurde an diesem strategischem Punkt das ehemalige Zollamt errichtet – benannt als Koifhus oder Kaufhaus. Es ist das älteste Gebäude der Stadt. Im Erdgeschoss wurden Waren gelagert und im- und exportierte Waren besteuert. Oben tagten ab 1534 die Abgeordneten der zehn Reichsstädte des Elsass. Das Kaufhaus war Tagungsort für Gericht und Ratsversammlungen. Mir fällt das Koifhus besonders durch sein Dach auf. Die glasierten Ziegel erhielten seit dem 16. Jahrhundert als Mitbringsel von Kreuzzügen Einzug ins Elsass. Damals sollten die außergewöhnlichen Dachziegel vor allem Reichtum demonstrieren. Ich pausiere etwas vor dem Koifhus und beobachte das Treiben. Schafft es die Sonne kurz durch die Wolken schimmern die emaillierten Dachpfannen wie Juwelen.
Pétite Venise – Klein Venedig auf französisch
Die Touristendichte nimmt zu, die Gassen füllen sich. Ich laufe Richtung Krutenau, ein Viertel der Altstadt mit besonders schmucken Häusern. Von weitem sehe ich auf der Brücke über dem Fluss Lauch Touristen mit Fotoapparaten und Handys in mehreren Reihen stehen. Schreckt mich solch eine Situation eher ab, weiß ich heute, dass ich hier genau richtig bin. Pétite Venise zieht Besucher magisch an. Der Teil der Altstadt Colmars ist sicher eines der meist fotografiertesten Aussichtspunkte der Stadt. Wie in Venedig schmiegen sich die Häuser entlang der Lauch und zeigen genau das, was mein ursprünglicher Anreiz meiner Städtetour war:
Über das Gerberviertel schlendere ich zurück Richtung Hotel. Die Häuser werden größer. Schaut man genau hin entdeckt man eingebaute Lüftungsvorrichtungen, damit in den einstigen Speichern die Häute gut trocknen konnten.
Einkehrtipp für Teeliebhaber
Colmars Gastronomieszene bietet alles, was es gibt und wonach einem gerade ist: Vom Eiscafé, über Pub und Bar, über Bistro bis hin zur Sternegastronomie. Etwas versteckt unter Arkaden laufe ich an einem Café vorbei, welches eindeutig meine Aufmerksamkeit auf sich zieht: Tassen und Tee. Hier bin ich richtig! Das Le Boudoir bietet eine große Auswahl an Kaffee- und vor allem Teespezialitäten. Nach einem kleinem Kaufrausch in dem so niedlich eingerichteten Laden lockt mich das hausgemachte croq’boudoir. Köstlich sag ich Euch!
Etwas wehmütig blättere ich bei meinem Tee im Reiseführer. Meine Reise muss leider weiter gehen. Colmars Altstadt ist nicht riesig, dennoch habe ich nicht alles gesehen. Ein Tagesausflug ist zu wenig für diese schöne Stadt, wenn man sich wie ich gern treiben lässt, langsam durch die Gassen bummelt, gewisse Geschäfte eine besondere Anziehung ausüben und gern mal hier und da ein Kaffee oder Tee gemütlich genossen werden möchte. Auf der anderen Seite: Es bleibt noch reichlich Ungesehenes fürs Wiederkommen! Trotz städtischem Flair außerhalb der Altstadt werde ich sicher noch einmal dieses Kleinod der Fachwerkkunst mir anschauen. Vielleicht außerhalb der Saison, um dann mit weniger Besuchern die Stadt genießen zu können.
Noch mehr Colmar
Ich habe etliche Fotos in Colmar geschossen. Eine Auswahl fiel nicht leicht. Viele Bilder schlummern noch in Lightroom und warten auf Bearbeitung. Etwas mehr Colmar gibt es noch in dieser kleinen Bildergalerie:
Was auch noch interessant ist…
- Für Schlechtwetter: Das Museum Unterlinden muss toll sein. Ich hatte an meinem Tag in Colmar Glück mit dem Wetter. Für mich auf jeden Fall ein Ausflug bei einem erneutem Colmar Besuch. Es ist eines der meist besuchtesten Museen Frankreichs, besonders bekannt auch durch oberrheinische Sakralkunst vom Mittelalter bis zur Renaissance. Im dem Museum Unterlinden findet Ihr auch den weltberühmten Isenheimer Altar.
- Reiseführertipps:
Auch als Onlinerin liebe ich Papier-Reiseführer. Vorher stöbern, planen, notieren und vor Ort informieren.
Elsass Reiseführer aus dem Michael Müller Verlag (Amazon-Partnerlink) ist ein toller, wenn auch nicht leichter Begleiter. Umfassend zu Colmar und zum gesamten Elsass und den Vogesen gibt es viele hilfreiche Tipps und Informationen. Ich habe an keiner Stadtführung in Colmar teilgenommen, mir die meisten Informationen aus dem Buch geholt. Es ist sehr detailliert und umfänglich geschrieben.
Elsass Merian Momente (Amazon-Partnerlink) wäre mir als alleiniger Reiseführer für das Elsass zu wenig. Zu Colmar finden sich nur wenige Sätze. Als Ergänzung zum Michael Müller Buch ist es für mich wunderbar, da es im Merian Momente Buch viele Tipps für Gastronomiespots gibt. Beide Reiseführer zusammen haben mich bestens auf meiner Elsasstour – und auch in Colmar – begleitet.
Offenlegung: Ich wurde zur Pressereise ins Elsass vom Tourisme Alsace eingeladen. Auch Atout France herzlichen Dank für die Unterstützung zu dieser Recherchereise. Die Reiseverlängerung nach Colmar fand außerhalb dieser Pressereise auf eigene Initiative statt. Meine Meinung bleibt wie immer die eigene.
Danke für den guten Bericht und den kuriosen Tipp mit der Freiheitsstatur. Ich hatte sie mir dann vor Ort angesehen, gefällt mir gut. Eine weitere Kuriosität ist das es Colmar auch in Malaysia gibt, als Colmar Tropicale gibt es unweit von Kuala Lumpur ein schönes Resort mit gelungenen Nachbauten! Ich kannte die Kopie vor dem Original :-)
Das klingt spannend. Danke Dir!
[…] Straßburg ist absolut lohnenswert, die Weinstraße nicht nur für den Gaumen ein Genuss und in Colmar habe ich mich […]
Wunderschöne Bilder. In Colmar war ich leider noch nicht, aber die Stadt steht auf meiner Bucket List.
Liebe Grüße
Ina
Unbedingt machen! Das Elsass ist wunderschön – Colmar ein Traum. Am besten die Stadt in der Nebensaison erkunden. Liebe Grüße, Tanja
Wow, das schaut mal echt super aus :-)
Wir sind auch bald da und ich bin schon mega gespannt :-)
Viele Grüße
Florian
Du wirst die Stadt sicher lieben, da es Fotomotive auf jeden Zentimeter gibt <3
[…] Lebensart schnuppern – ich liebe es! Ich wandle durch die Gassen von Colmar, höre plaudernde Menschen in französischer Sprache, höre Lachen, sehe schöne alte Häuser und […]
[…] nicht satt sehen. An der Weinstraße habe ich märchenhafte Orte entdeckt (über Colmar habe ich bereits gebloggt). Im Münstertal bin ich auf der Route des Crêtes gefahren, eine […]
Irgendwie ist Colmar noch schöner als Straßburg, oder? Danke für die schöne Inspiration! Sonnige Grüße, Jutta
Straßburg hatte ich nur mit Weltuntergangsregen und hab kaum was gesehen. Colmar war traumhaft.
Vielen Dank für die wunderschönen Bilder aus Colmar. Anfang der 2000er war ich auch schon mal dort – eine schöne Erinnerung also :-)
Hach, auch bei mir wieder ein Punkt mehr uf der Bucketlist! Die Foto sind wirklich toll geworden. Vielen Dank für die schönen Eindrücke!
Liebe Grüße!
Maike
Deine Bilder sind wunderschön geworden. Da bekomme ich direkt Lust nach Colmar zu fahren! Vielen Dank für den Tipp!
Liebe Grüße, Kirsten
Danke Dir, das freut mich :-) Allerdings waren die „Vorlage“ und Inspirationen in Colmar auch fantastisch.
Wenn ich Deine Bilder ansehe merke ich, dass ich meine Bucket List um Colmar erweitern muss ;-)
Word :-)