Kennt Ihr das auch? Interessante Ausflugsziele liegen direkt vor der Haustüre, man nimmt sich öfters einen Besuch vor. Die Zeit verfliegt und das Vorhaben wurde nie in die Tat umgesetzt. So ging es mir mit dem Hamburger Michel. Hamburgs bekanntestes Wahrzeichen, die Kirche St. Michaelis, kannte ich nur von außen und vom Vorbeifahren, als ich noch im Norden Deutschlands lebte. Luftlinie 200 Meter entfernt habe ich meine Ausbildung gemacht. Fast 20 Jahre später wohne ich zwar inzwischen wieder im Rheinland, aber endlich komme ich dazu, mal den Michel von innen und Hamburg von dort oben zu erleben.
Noch zwei Stunden, bis mein Zug geht. Die Sonne lacht, kein Hamburger Schmuddelwetter in Sicht. Beste Voraussetzungen, endlich die St. Michaelis Kirche zu besuchen. Bei dem Wetter war ich mit diesem Plan nicht alleine. Eine kleine Traube versammelt sich am Eingang unter der Statue vom Erzengel Michael. Der Namenspatron der Kirche wacht über dem Hauptportal. Stolz schaut er mit Lanze bewaffnet auf den unter ihm liegenden besiegten Satan.
Ich hieve die ersten Stufen meinen Koffer in die Kirche und bin entsetzt, als ich lese, dass auch Aufzugfahrer Treppen steigen müssen. Die nette Dame am Kassenhäuschen hatte Mitleid und ich durfte ausnahmsweise meinen Koffer hinter dem zweiten unbesetzten Tresen verstecken. Bei den heutigen Sicherheitsmaßnahmen in öffentlichen Gebäuden eine Seltenheit.
St. Michaelis ist eine der schönsten Barockkirchen Norddeutschlands. Der Turm mit der schönen Kupferhaube, die schon von weitem im Sonnenlicht leuchtet, ist ingesamt 132 Meter hoch. Auf Höhe von 106 Metern befindet sich eine Aussichtsplattform. Ohne Koffer geht es für mich in den 1. Stock – das sind immer hin 52 Stufen. Dort wartet in der Aufzugshalle ein Fahrstuhl auf mich. Wer es sportlicher mag, kann sich weitere 452 Stufen den Weg nach oben bahnen. Vorteil ist, dass man auf seinem Aufstieg sechs verschiedene Glocken im Detail bewundern kann. Mir war dennoch die bequeme Variante lieber.
Kaum oben angekommen, spuckt der Fahrtstuhl uns aus, um so gleich die nächste Fuhre von Besuchern mit nach unten zu nehmen. Ein leichter Wind weht und Petrus bietet uns mit dem Himmelblau einen wahren Augenschmaus: Hamburg liegt uns zu Füßen!
Man glaubt es kaum, dass die erste Michaliskirche 1606 auf dem Friedhof außerhalb von Hamburgs Stadtmauern errichtet wird. Lasse ich meinen Blick auf der Aussichtsplattform schweifen, entdecke ich ringsherum die Stadt. Teilweise dicht gedrängt stehen Besucher vor dem aus Sicherheitsgründen vergittertem Ausblick. Wenn man Zeit hat wie ich, ist das kein Problem. Sind ausreichend Fotos und Selfies geschossen, wandert die Karawane weiter.
Zum Hafen und zu den Landungsbrücken hin wird die Aussicht diesig aber auch interessanter. Die Fähre setzt über, geschäftiges Treiben kleiner Fischkutter, Ausflugsdampfer und Containerschiffe.
Wer kennt Sie nicht: Die Elbphilharmonie ist das im November 2016 fertiggestellte Konzerthaus. Mit 789 Millionen Euro und fast 10 Jahren Bauzeit ist es heute vor allem ein Publikumsmagnet. Planungsziel war, ein neues Wahrzeichen für Hamburg als Kulturdenkmal für alle zu schaffen. Ob das bei der langen Bauzeit gelungen ist, mag ich nicht zu beurteilen. Im sanften Licht gegen die Sonne mit Blick vom Michel schimmert die Silhouette der Elbphilharmonie erhaben. Der Michel als Wahrzeichen sagt mir mehr zu.
Ein Exportschlager aus Köln? Die Deutzer Brücke kenne ich nicht anders als mit Millionen von Freundschafts- und Liebesschlössern. Da sieht man mehr „Schloss“ als Brücke. Die Welle schwappt anscheinend durch ganz Deutschland und auch am Hamburger Michel macht der Schlösserschwur nicht halt. Wollen wir mal hoffen, dass keinem der Schlüssel unten auf dem Kopf gefallen ist.
Der Blick in die Weite und Tiefe von Hamburg macht Spaß. Nach zwei Runden nehme ich wieder den Aufzug nach unten und möchte einen Rundgang durch die Kirche unternehmen. Eine Frau steht am Eingang, fängt mich mit dem Hinweis ab, dass gerade eine Taufe in der Kirche vollzogen würde, ich mich aber gern am Rande setzen dürfte. Die Kirche selbst wirkt wenig evangelisch auf mich. Das viele Gold, die prunkvollen Senatsstühle und Kanzel muten für mich eher an wie eine katholische Kirche.
Am Taufstein haben sich zwei Familien zur Taufe ihrer Kinder versammelt. In der App lese ich, dass der Taufstein aus weißem Marmor 1763 in Livorno hergestellt und von dort lebenden Hamburger Kaufleuten gestiftet wurde. Livorno besaß damals einen der wichtigsten Häfen Italiens. Dort blühte im 18. Jahrhundert das Kunsthandwerk und es wurde rege Handel damit betrieben. So schlicht der Michel von außen im Gesamten wirken mag, so bekommt man im Innern der Kirche Einblicke auf zahlreiche Kunstschätze. Fotografieren ist zur Kirchzeit natürlich untersagt. So sitze ich da, staune über das Interieur und bekomme schließlich Gänsehaut, als das erste Kirchenlied angestimmt wird.
Für einen Besuch der Krypta mit außergewöhnlichen Gräbern und Ausstellungen von Grabfunden reicht meine Zeit vor Abfahrt des Zuges leider nicht mehr aus. Aber: So hat man doch etwas zum Wiederkommen.
Wissenswertes, wenn Ihr den Hamburger Michel besuchen wollt
PS. Mehr Geschichten aus und über Hamburg findet Ihr im Blog in der Städtekategorie.
Vom Nacht-Michel berichtet Janett in Ihrem Blog und mehr Bilder zu HH gibt es in Michaels Blog.
Kann mir jemand sagen, wer der Künstler ist, der die Michael- Statue gemacht hat?
Das wäre sehr nett.
Muss ich leider passen. Vielleicht weiß ein Leser Rat?
Ich hab den Michel auch bisher nur von außen angeschaut. Dabei liebe ich Kirchen und kann an kaum einer vorbeigehe ohne wenigstens kurz reinzuschauen. Ich nehme den Tipp fürs nächste mal mit.
Danke für die schöne Beschreibung und die tollen Bilder.
Liebe Grüße, Heike
Lohnt auch, wenn Ihr nur auf Durchreise zur Nordsee seid. Man kann gut in der Nähe parken und rund 2 h kann man einplanen. Gegenüber sind auch ein paar Kneipen aber auch nette Cafés.
Gleich mal verlinkt! Tolle An und Aussichten! Ich war im Dezember auch endlich mal in der Kirche – ich hatte sie mir nicht so prunkvoll vorgestellt. Spannend ist auch der Weg durchs Treppenhaus hinunter vom Turm. Dafür sollte man jedoch höhentauglich sein. Ich habe das mal nach dem Nachtmichel gemacht und dachte zeitweise – hoffentlich schließen die nicht unten die Türe zu. ;)
Das nächste Mal sollte ich dann auch die Treppen runter nehmen… Runter geht ja ;-)
Ps. Danke für die Verlinkung, habe Deine Nacht-Michel-Erfahrung ebenfalls integriert.