Wo fängt Barrierefreiheit an, wo hört sie auf? Klar, alles ist bei uns in Deutschland genormt – in diesem Fall nach DIN ISO 18040 zertifiziert und hat Vorgaben wie Türbreite, Zugang und Brandschutz. Barrierefreie Angebote in Hotels sind dennoch keine Selbstverständlichkeit. Ich sitze in keinem Rollstuhl und möchte mir nicht anmaßen zu beurteilen, wie schwer es ist, damit auf Reisen zu gehen und ein passendes Hotel zu finden. Dennoch bin ich durch mein Übergewicht auch anders als der übliche Hotelbesucher und habe andere Wünsche und Anforderungen. Wie oft hab ich mich schon in kleine Duscheingänge gezwängt oder von größeren Freunden gehört, dass ihre Beine aus dem Bett baumeln und die Übernachtungsdecke bis zum Knie ging. Ich hab schon pustend meinen schweren Koffer in den vierten Stock getragen. Mein Vater hat für eine Dusche Schwierigkeiten, in eine Badewanne zu steigen, wenn keine separate Dusche vorhanden ist oder hört kein Telefonklingeln, wenn er seine Hörgeräte nicht im Ohr hat.
All das sind Barrieren, die einen Hotelaufenthalt beeinträchtigen. Als vor zwei Jahren jemand, der mir sehr nahe steht, einige Zeit im Rollstuhl verbringen musste, entdeckte ich die (Reise)Welt noch einmal mit ganz anderen Augen. Wie viele Barrieren es im Alltag doch gibt, die nicht sein müssten. Seit dem achte ich auf Reisen besonders auf Barrierefreiheit, erkundige mich bei den Hotels, was sie im Angebot haben und bin erfreut, dass die Offenheit für Menschen mit Handicap steigt. Umbauten an alten Hotels werden fast immer barrierefrei umgesetzt.
In diesem Artikel möchte ich Euch drei Hotels vorstellen, die mir im Hinblick auf Barrierefreiheit in den letzten Monaten besonders positiv aufgefallen sind und vielleicht sind diese Unterkünfte ein hilfreicher Tipp für Euch.
- Zentral und abgeschieden in Bonn: Hotel Collegium Leoninum mit angeschlossener Seniorenresidenz
- Zwischen Elbe und Nordsee: Best Western Cuxhaven
- Wo die Pferde „Gute Nacht“ sagen: Ferienhof Schnieder im Münsterland
- Noch mehr zum Thema Barrierefreiheit findet Ihr in folgenden Blogs und Seiten
Zentral und abgeschieden in Bonn: Hotel Collegium Leoninum mit angeschlossener Seniorenresidenz
Es ist Freitag Nacht. Die Unistadt Bonn pulsiert im Nachtleben. Eben noch feierten junge Menschen in Straßencafés den Beginn des Wochenendes. Kaum biege ich mitten in der Bonner Innenstadt in eine Seitenstraße, umgibt mich Abgeschiedenheit und Ruhe – schon faszinierend. Es ist dunkel, als ich einchecke. Ich war zuvor auf dem Tourismusbarcamp BRSA und wir haben den Abend am Rhein gemeinsam länger ausklingen lassen. Durch den netten Service des Nachtportiers habe ich einen Parkplatz im Innenhof des Hotel Collegium Leoninum prima gefunden. Jetzt bin ich auf der Suche nach meinem Hotelzimmer. Im Garten-Neubautrakt soll es sein. Die Flure sind abgedunkelter als man es sonst von Hotel gewöhnt ist. Weiter hinten kommt mir schemenhaft ein Mann im Pyjama mit Gehhilfe entgegen. Als wir auf gleicher Höhe sind, nickt er zur Begrüßung. Wahrscheinlich ist er weniger verwundert über meine Anwesenheit als ich über seine.
Das Hotel Collegium Leoninum verfolgt mit seinem Hotel einen eigenen Ansatz: Es ist Teil der exklusiven Seniorenresidenz Nova Vita Bonn. Es gibt separat voneinander getrennte Bereiche und einen Teil, in dem ich heute übernachten werde, wo Bewohner der Residenz mit Hotelzimmern gemischt einen Trakt des Hauses bewohnen. Philosophie des Hauses ist: „Beide Seiten profitieren vom gegenseitigen Miteinander und wir schaffen ein einzigartiges Kleinod innerhalb der Bonner Hotelszene. Die Philosophie des Hauses spiegelt sich nicht nur in der Architektur wieder, sondern auch im Miteinander der Menschen.“
Gespannt schließe ich meine Hotelzimmertüre auf. Während des Studiums habe ich jahrelang im Altenheim gearbeitet und bin neugierig, ob mein Zimmer Ähnlichkeiten mit der dortigen Einrichtung haben wird. Überrascht bin ich, dass ich fast gar keinen Unterschied zu einem „klassischem“ Hotel finde. Das Schlafzimmer ist modern, das Bad großzügig. Beides ist barrierefrei auch für Rollstuhlfahrer eingerichtet.
Es gibt sogar eine kleine Terrasse vor meinem Zimmer zum Innenhof mit Garten. Der Sommerhitze entfliehend öffne ich die Fenster und stelle mir einen kleinen Hocker in den Außenbereich – Gartenmöbel gibt es nämlich leider nicht. Ich hocke mich mit einem Wasser dort in die dunkle Nacht und lasse die warme Sommernacht ausklingen. Von hier habe ich einen Blick auf die über mir liegenden Bewohnerwohnungen bzw. Balkone. Ich bin nicht alleine wach. Hier und da wird noch Zeitung gelesen oder im leichten Wind auf dem Balkon leise der Fernseher im Innenraum verfolgt. Es ist ein anderes Gefühl als sonst im Hotel.
Das Collegium Leoninum ist 2004 eröffnet worden. Es gibt einen großzügigen Schwimmbad- und Saunabereich, den ich leider bei meinem kurzem Aufenthalt nicht genutzt habe. Das 4-Sterne-Hotel verfügt über 69 Zimmer, 9 Veranstaltungsräume für bis zu 160 Personen und über das Restaurant Leo’s Bistro.
Hier nehme ich am Morgen auf der Terrasse mein Frühstück ein. Zugegeben, ein wenig zu spät, denn ich habe phantastisch geschlafen. Die Betten waren sehr bequem und wie ich nachher von Jutta vom Blog icheinfachunterwegs erfahre, auch bestens für große Menschen geeignet. Wer genau hinschaut, merkt, dass im Bistro oder in der Lobby mehr ältere Menschen als sonst in Hotels sind. Bei einem Kaffee beobachte ich genau das Umfeld, komme mit einer älteren Dame vom Nachbartisch ins Gespräch. Sie legt ihre Zeitung weg. Ich merke, dass sie unser Gespräch als willkommene Abwechslung begrüßt. Ich schmunzle in mich hinein und muss unweigerlich an meinen Vater denken. Schade, dass er so eine Abneigung gegen Altenheime hat. Diese Seniorenresidenz ist anders und wäre genau das richtige für ihn. Er ist oft so einsam. Hier scheint eine gelungene Mischung von eigener Wohnung und Rückzugsmöglichkeit mit geselligem Beisammensein gefunden worden zu sein – und das noch mitten in der Innenstadt von Bonn.
Auch der Service war in dem Haus anders als gewohnt, irgendwie menschlicher und auf eine natürliche Art freundlich, hilfsbereit und verbunden. Wer eine Städtereise nach Bonn plant und barrierefrei, zentral wohnen möchte, ist hier bestens aufgehoben.
Zwischen Elbe und Nordsee: Best Western Cuxhaven
Zum Best Western Hotel Donner’s und Spa Hotel und meinem Wochenende in Cuxhaven habe ich Euch bereits Reiseberichte verfasst. Im Cuxhavener Land könnt Ihr phantastische Tage an Nordsee und Elbe verbringen, eine Menge erleben und Euch kulinarisch bestens verwöhnen lassen. Darüber hinaus legt das Donner’s Hotel großen Wert auf Barrierefreiheit.
8 Zimmer sind in der Kategorie A und D behindertengerecht umgebaut worden. Konkret heißt dass, das Gäste mit einer Gehbehinderung, die zeitweise auch auf einen nicht-motorisierten Rollstuhl oder Gehhilfe angewiesen sein können, prima in den Zimmern aufgehoben sind. Ich selbst genieße die ebenerdige, modern und ansprechend eingerichtete Dusche. Der Waschtisch ist unterfahrbar und ausreichend Haltegriffe sind vorhanden. Zimmer mit der Kategorie D richten sich vor allem an gehörlose und schwerhörige Gäste. Vom Hotelchef Herrn Weber erfahre ich, dass meistens Menschen mit diesem Handicap selbst ihre Utensilien mitbringen, für mich und meinen Vater gilt das nicht, so dass durchaus eine Signalanlage durch Blitz und Vibartionsimpuls für Telefon und Türklingel hilfreich sind.
Die Gänge sind alle breit und angenehm gestaltet. Es gibt verschiedene Aufzüge. Auch das Restaurant ist barrierefrei eingerichtet. Selbst an der Theke beim Einchecken entdecke ich einen abgesenkten Empfangsbereich. Hier wurde wirklich aus meiner Sicht an alles für einen barrierefreien Wohlfühlurlaub gedacht. Mehr zu einem Urlaub im Best Western in Cuxhaven und was Ihr sonst noch erleben könnt, lest Ihr in der Blogkategorie Cuxhaven.
Wo die Pferde „Gute Nacht“ sagen: Ferienhof Schnieder im Münsterland
Vor knapp 20 Jahren gab es auf dem Schnieder Hof nur Landwirtschaft. Dann sattelte der einstige Bauer um und baute das Anwesen im Münsterland Stück für Stück als Ferienhof Schnieder um. Gastfreundlich – wie Besuch bei Freunden – werde ich abends nach meinem Besuch im nahe gelegenen Wildpferdegebiet in Empfang genommen. Im angeschlossenem Hofcafé trinken wir gemeinsam einen heißen Tee und plaudern ein wenig.
Mein Zimmer erreiche ich im ersten Stock mit dem Aufzug. Das Zimmer und das Bad ist riesig und für Rollstuhlfahrer ausgebaut. Hier kommt auch ein E-Rolli mit größeren Wendekreis zurecht. Die Zimmer sind zweckmäßig eingerichtet. Neben dem Bett gibt es auch eine Sitzecke mit Stühlen. WLAN kann kostenfrei genutzt werden. Im Anbau können Ferienwohnungen gebucht werden. Das freut vor allem Stammgäste und eine Buchung solltet Ihr für die Sommermonate zeitig vornehmen.
Im Bauernhofcafé können Übernachtungsgäste morgens frühstücken – und das war wunderbar. Viele selbstgemachte Sachen versüßen den Morgen. Die selbstgemachte Holundermarmelade war ein Gedicht, dass ich sie gleich vor Ort kaufen musste. Das Hofcafé hat nur am Wochenende für Besuchsgäste geöffnet. In der Woche ist die Frequenz zu gering, erfahre ich vom Hofbesitzer. Wir sind halt hier richtig auf dem Land. Viel los ist hier nicht – und genau das macht den Charme des Ferienhofs aus. Weggeschickt wird aber auch niemand, eigentlich ist immer jemand auf dem Hof da, verrät mir Herr Schnieder. Am Wochenende kommen Ausflugsgäste. Dann ist die große Außenterrasse gefüllt und viele selbstgemachte, köstliche Torten und Kuchen stehen bereit. Die Preise sind sehr moderat. Da lohnt ein Extraurlaub für Jeden für Zwischendurch.
Noch mehr zum Thema Barrierefreiheit findet Ihr in folgenden Blogs und Seiten
- Blog von Raul Krauthausen
- Ulrike, die unter „Zypresse unterwegs“ schreibt, speziell dazu: Was sich Betroffene von Barrierefreiheit wünschen und viele weitere Blogbeiträge zum Thema Barrierefreiheit
- Bei Janett von Teilzeitreisender, die eine Rubrik „barrierefrei“ in ihrem Blog aufgenommen hat und eine Planung für eine Reise mit Rollstuhlfahrer
- In der Wheelmap findet Ihr barrierefreie Orte
- Rheinland-Pfalz bietet ausführliche Informationen zum barrierefreien Urlauben (inkl. vieler Hotels und Ausflugsmöglichkeiten)
- Reisen für alle in NRW – barrierefrei
- NRW Reisebroschüre für besondere Erlebnisse
- Anbieter in der Region NRW
Habt Ihr noch weitere Tipps zum Thema Barrierefreiheit? Kennt Ihr noch schöne Hotels, die barrierefreie Zimmer und mehr anbieten? Wenn ja, würde ich mich über Eure Infos hier unter dem Artikel in den Kommentaren sehr freuen.
Meine Oma war letztes Jahr mit uns im Urlaub. Sie benötigte ein barrierfreies Zimmer. Das war das erste mal wo ich mich darum kümmern musste. Ich war echt positiv überrascht wie viele Möglichkeit es gab und genau wie sie schon sagten, entdeckte ich auch die (Reise)Welt noch einmal mit ganz anderen Augen! Vielen Dank für den Beitrag!
Vielen Dank für deinen Beitrag über barrierefreie Zimmer. Bei Hotelbesuchen ist mir das ebenfalls sehr oft aufgefallen. Kleine Duschen oder zu enge Türen sind mir leider schon als Barriere aufgetreten.
Die allermeisten Rollifahrer brauchen kein 100%-DIN-Barrierefreiheit. Viele Angebot, die nur 70% barrierefrei sind sollten trotzdem Rollileuten offeriert werden.
Da hast Du völlig Recht, Johannes! Es geht in jedem Fall mehr, als man denkt. Deshalb: Reisen, Reisen, Reisen auch mit Rollstuhl oder anderem Handicap!
Und dennoch: solange ganz viele Hotels schon im Internet nicht angeben, ob sie barrierefreie Zimmer haben (selbst große Ketten tun dies häufig nicht) bleibt die Vorbereitung einer Reise für Rollstuhlfahrer mühsam. Dabei wäre das doch gar nicht so schwer.
Aber wie sagte mir mal die Managerin eines Vier-Sterne-Hotels: „Wir haben zahlreiche Beschwerden über „den Krankenhauscharakter“ des Zimmers, wenn wir nicht behinderte Gäste in einem barrierefreien Zimmer unterbringen. Daher möchten wir dies nicht publik machen.“
Und mehr als einmal habe ich erlebt, dass ein barrierefreies Zimmer zwei Bäder hatte: ein „normales“ und ein barrierefreies – wahrscheinlich genau um die oben genannten Beschwerden zu vermeiden.
Schließlich: ich habe schon Links auf meinem Blog entfernt, da mich verlinkte Hotels trotz Lob für Aufenthalt und die Barrierefreiheit darum gebeten haben. Sie mochten mit behinderten Gästen nicht verbunden werden.
Schade, aber auch das ist 2017…
Danke noch einmal an Dich, Tanja, dass Du dieses Thema auch in Deinem Blog mit großer Reichweite thematisierst!
Deine Geschichte finde ich beunruhigend. Da hat wirklich jemand gesagt, er möchte die Barrierefreiheit nicht publik machen, aus Angst man würde dann denken, dass Hotel hätte dann Krankenhauscharakter? Es gibt Hotels die nicht mit behinderten Gästen verbunden werden wollen?? Das finde ich echt den Oberhammer. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Um so mehr werde ich jetzt bei kommenden Hotels darauf achten und im Artikel selbst dann dazu berichten.
Wie Du geschrieben hast Ulrike: Hilfreich für 30% aller Menschen und komfortable für alle.
Die Zimmer die ich barrierefrei in den letzten Monaten erleben durfte, waren Top-Hotels – schick und modern oben drein.
Wunderbar, dass Du das Thema aufgreifst.
Ganz wichtig finde ich eines nach wie vor: Barrierefreiheit ist
* für 10% aller Menschen unabdingbar
* hilfreich für mehr als 30% aller Menschen
* komfortabel für 100% aller Menschen
Auch mit Handicap ist fast überall auf der Welt Urlaub möglich. Und an fast allen Orten sind hilfsbereite Menschen, selbst wenn es keine barrierefreie Infrastruktur geben sollte. Immer wieder haben wir genau diese Erfahrungen auf unseren Reisen gemacht.
Da hast Du absolut recht, Ulrike!! #100%
Schön, dass Ihr hilfreiche Erfahrungen auf Euren Reisen macht!