Die Dämmerung bricht herein. Die Kerzen werfen ein gemütliches Licht. Sanft spült der Rhein seine Wellen ans Ufer. Ein heißer Tag neigt sich dem Ende entgegen. Hinter mir lässt man sich zwischen Blumen auf dem Rasen nieder, links von mir kuschelt man sich bei einem kühlen Getränk im Strandkorb aneinander. Ein leichter Wind raschelt durch die um mich stehenden Holz- und Strauchkunstwerke. Über allem wacht vom anderen Ufer Germania. Was sich anfühlt wie ein Urlaubsabend in der Toskana ist in Wahrheit ein Sommerwochenende in Bingen am Rhein – so schön kann Urlaub in Deutschland sein!
Vinothek – Genuss am Fluss
Ich sitze mit Steffen Bischof zusammen. Mit seiner Frau führt er die direkt am Rhein gelegene Vinothek in Bingen. Gehetzt von meiner staureichen Anreise komme ich mit einem Blick auf die Rüdesheimer Rheinseite zur Ruhe und genieße meinen ersten Schluck Wein – beides ist phantastisch. Wir geraten ins Plaudern und ich erfahre, dass der Familienvater nicht nur Gastronom ist, sondern selbst auch ein Weinbauer. Mitten in der Stadt liegt sein Weinberg – einer der schönsten städtischen Weinhänge, direkt neben Burg Klopp verkündet er mir mit einem stolzen Lächeln. Das ist absolute Steillage. Eine Weinlese ist nur per Hand möglich. Mein Respekt steigt, wer so arbeitet muss Wein einfach lieben.
Aber nicht nur das, wie ich an dem interessanten, weinreichen Abend feststellen werde. Steffen hat mit seiner Frau eine Hand für das Außergewöhnliche und verbindet viele Dinge mit Harmonie zu einem Gesamtkunstwerk. Auch das spürt man in seiner Vinothek: Design vom Geschirr bis zur Deko harmonisch abgestimmt, ohne einem Design-Overkill zu unterliegen. Kunstobjekte passen zur Landschaft und zu den Themen, Wein, Genuss, Kulinarik. Rhein und Landschaft spielen immer wieder in das Ambiente. Dazu rundet die kreative Küche mit regionalen Produkten einen Besuch ab. Ich fühle mich auf Anhieb hier wohl.
Sehen, riechen, schmecken: Rhein- und Weingenuss mit allen Sinnen
Kälteperlen zieren mein Weinglas und ich genieße den frischen leichten Sommerwein. In Bingen treffen vier Weinanbaugebiete aufeinander. Alle Weine, die man in der Vinothek bekommen kann, stammen von ausgewählten Winzern aus den an Rheinhessen angrenzenden Anbaugebieten Nahe, Mittelrhein und Rheingau. Jeden März probieren die Bischofs über 80 Weine, nur eine Auslese schafft es auf die Karte.
Da mein Hotel nur wenige Meter entfernt ist, bleibt mein Auto stehen und ich reiche gern mein Glas zum nächsten Schluck Wein. Genussvoll schwenkt Steffen sein Glas locker aus dem Handgelenk, riecht, trinkt und spült den Wein im Mund. Profihaft versuche ich es ihm nachzumachen. Ich zücke meine Schreibutensilien und erwarte die Beschreibungen des Winzers. Aber nichts dergleichen passiert. Stattdessen werde ich gefragt, was ich rieche. Ja, was rieche ich denn? Erneut schwenke ich mein Glas, halte tief meine Nase dem Wein entgegen. Mir fehlen die richtigen Worte. „Jeder kann alles riechen, aber wir haben kein Wort dafür.“,klärt mich Steffen auf. „Das Geruchshirn kann man aber an Aromaboxen trainieren.“ Darüber habe ich mir im Detail nie Gedanken gemacht. Man kann Gerüche beschreiben und „ähnlich wie“-Vergleiche ziehen, aber als Laie nicht einfach. Wir schlürfen erneut unseren Wein. Durch die Luft vergrößern wir die Oberfläche, klärt der Winzer mich auf, und der Wein wird geschmacksintensiver.
„Wein schlürfen hilft: Das ist wie eine Hochzeit zwischen Nase und Mund.“
So kosten wir uns weiter durch die Weine. Von Riesling über Silvaner zu Chardonnay testen wir einen Mix aller Sorten aus Rheinhessen. Jeder Wein ist eine Geschmacksexplosion für sich. Während ein Wein eher grün, zitronig und etwas nach Heu schmeckt, verzückt mich ein anderer Wein mit einem warmen, vannilligen Aroma mit einem Hauch Aprikose und Holunderblüte.
Uns wird ein Brot mit Käse aus der Region und Brot vom Biobäcker aus dem Ort gereicht. Dabei trinken wir unseren vierten Wein des Abends: Ein Riesling, mit einem breiten Geschmacksspektrum. Dieser schmeckt tief mit etwas Stachelbeere, leicht hefig mit einem erdigen Touch.
Die Weinprobe wird zum Erlebnis, da es sich nicht nur um Rebe und guten Geschmack dreht. Ich erfahre viel zur Hanglage, Ernte, Bodenbeschaffenheiten, zu Geschichten und Anekdoten, letztlich sogar zu leckeren Rezepten und Weinessig aus eigener Herstellung. Wer selbst einmal seine Sinne zum Wein schulen möchte, kann in der Vinothek zweistündige Seminare buchen und seine Weinsensorik ausprobieren oder einen Blauen Donnerstag mal ganz anders gestalten.
Inzwischen ist es weit nach Mitternacht. Der Mond scheint silbrig auf den Rhein. Vereinzelt tuckert ein Schiff langsam an mir vorbei. Ich genieße das laue Lüftchen am Abend. Wir prosten uns zu, lassen den Blick auf den Rhein in die Ferne schweifen. Würde ich in Bingen wohnen, wäre das einer meiner Lieblingsplätze.
Was man noch am Binger Rheinufer erleben kann
Als Kulturufer bezeichnet Bingen seine neu gestaltete Rheinpromenade, die ihres gleichen sucht. Auf der drei kilometerlangen Rheinfront ist das Ufer nicht nur eine tolle Kulisse, sondern bietet viel Platz für Galerien, Museen, Open Air Bühne, Zeit zum Seele baumeln lassen in tollen Gärten und lockt Kids mit Entdeckerspielplätzen. Mittendrin gibt es coole Bars und gemütliche Restaurants.
Vom Museum am Strom hatte ich Euch schon in einem voran gegangenen Blogartikel berichtet. Dazu gibt es wundervolle Partnerschaftsgärten und einen toll angelegten Binger Garten. Tanja von Reiseaufnahmen war ebenfalls vor wenigen Wochen dort und hat dazu im Detail berichtet.
Was dazu das Onlineherz erfreut: Auch am Binger Ufer sind freie WLAN-Hotspots eingerichtet – bei meinem Besuch durch Pokémon-Spieler schon von weitem erkennbar ;-)
Romantik pur: Bei Bingen beginnt die Rheinromantik
Wer meinen Blog liest, weiß: Ich liebe Bootsfahrten. Damit ist Bingen das perfekte Ausflugsziel. Von hier aus starten Touren mit unterschiedlichen Längen und Zielen, so dass man individuell seine romantische Rheintour erleben kann. Bei Bingen startet die große Rheinromantik. Der Rhein zieht sich 65 Kilometer traumhaft durchs Flusstal bis Koblenz. Ich freue mich auf eine Schifffahrt mit prunkvollen Burgen, Schlössern und so mancher Ruine. Bei der Hitze haben mehrere Besucher diese Idee, dennoch findet sich an Deck des Rheindampfers ausreichend Platz für jeden. Schon oft gefahren und immer wieder ein Highlight für mich: Ein Ausflug zur Loreley.
Wir starten in Bingen mit Fahrt über das Binger Loch, den Mäuseturm und sehen kurze Zeit später bereits schon Burg Rheinstein. Hier oben soll es ein gutes Restaurant geben, doch leider war das ganze Wochenende bei meinem Besuch der Parkplatz besetzt. Es stehen nur wenige Plätze am Fuße des Berges zur Verfügung. Ein paar hundert Meter geht es dann noch bergauf, aber der Ausblick vom Biergarten und Restaurant soll malerisch sein. Wer gern wandert, den führt der Fernwanderweg RheinBurgenWeg und weitere Routen direkt an Burg Rheinstein vorbei.
Die Hitze an Deck lässt sich in Kombination mit leichtem Fahrtwind gut aushalten. Wir passieren Weinberge, schroffe Felsen und romantische Täler. Fast an jeder Ecke liegen malerisch Burgen und Ruinen. Für die Strecke von Bingen nach St. Goar / St. Goarshausen solltet Ihr einen Tagesausflug einplanen. Die Natur- und Kulturlandschaft des UNESCO Welterbe Tals ist einzigartig. Obwohl es leicht diesig war, konnte ich nicht genug bekommen Fotos von der einmaligen Rheinkulisse zu schießen, aber seht selbst:
Bingen am Rhein hat mich überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass man hier so viel erleben und so gut genießen kann. Und das Schöne: Es gibt für jede Jahreszeit in Bingen etwas zu entdecken.
Offenlegung: Meine Reise wurde unterstützt vom Amt für Stadtmarketing der Stadt Bingen. Lieben Dank dafür! Meine Meinung bleibt wie immer die eigene.