Geheimnisse hinter Klostermauern auf Sizilien

Es ist ein Ort der Einsamkeit, des Glaubens, der Liebe und eines Totenkults. Um das Kloster Eremo di Santa Rosalia alla Quisquina auf Sizilien ranken sich viele Geschichten. Es ist ein malerischer Platz in den Bergen von Sizilien.

Ein Ort der Einsamkeit und Ruhe

Wanderern ist das Gebiet in den Sicani-Bergen bekannt. Zwischen Palermo und Agrigent liegt auf rund 1.600 Meter Höhe das Naturschutzgebiet mit malerischen Landschaften und pittoresken Bergdörfern. Wir wandern heute nicht, worum ich ehrlich gesagt sehr froh bin. Auf meiner Gebeco-Rundreise bringt uns Giovanni mit seinem Bus bequem in die Berge. In den Hängen des Monte Quisquina im Gebiet von Santo Stefano Quisquina steigen wir auf einer Anhöhe aus und pilgern die letzten Meter zum Kloster. Wie die alten Sizilianer wandeln wir auf Jahrhunderte altem Kopfsteinpflaster. Begleitete uns im Tal die Sonne mit fast 30 Grad, ist es hier oben in den Bergen frisch. Im Waldgebiet, eingebettet in üppiger, grüner Natur der Sicani-Berge liegt das Kloster. Fast unscheinbar sieht das Eremo di Santa Rosalia alla Quisquina aus. Hier haben sich die Mönche keinen Prachtbau hingesetzt. Man spürt die Reduzierung und die Einsamkeit. Fast spirituell begleitet sie uns auf jedem Schritt. Die Geschichte des Klosters beginnt 1624. Bis heute ist der alte Eingang karg und einfach. Unweigerlich muss ich an Umberto Ecos Buch „Im Namen der Rose“ denken.

Hinter den Türen des Klosters Eremo di Santa Rosalia alla Quisquina eröffnet sich eine andere Welt.

Schlichtheit und Armut bestimmte das Klosterleben.

Das Fenster zum Hof…

Auf alten, ausgetretenen Steinstufen betrete ich das Anwesen. Plötzlich schließt sich die schwere Holztüre knarrend hinter mir. Ein Gefühl, als ob ich in eine Zeitreise stolpere. Traum? Wirklichkeit? Zur Sicherheit schaue ich mich prüfend um, ob ich nicht gerade wirklich ins Kloster gegangen bin und nachher auch wieder heraus komme. Lächelnd gibt man mir auf italienisch zu verstehen, dass hier nur der Eingang sei und ich durchaus weiterlaufen sollte. Unsere Reiseführerin Angela zwinkert mir belustigt zu und wir gehen zusammen ins Gemäuer. Ein geschichtsträchtiger Ort – und nicht das erste Mal bin ich Angela dankbar, dass wir auf unserer Gebeco-Rundreise fernab vom Massentourismus eine Einheimische an unserer Seite haben, die auf spannende Weise besondere Eindrücke ihrer Heimatinsel vermittelt.

Mich beschleicht das Gefühl, dass jeden Moment die Mönche um die nächste Ecke wieder kommen. Alles wirkt, als ob man es gerade verlassen hätte…

Luxus gibt es im Kloster Eremo di Santa Rosalia alla Quisquina nicht.

Wir streifen durch alte Zellen des Klosters, entdecken die Küche und spartanisch eingerichtete Räume. Reduzierung auf das Wesentliche, um Gott nah zu sein. Mag das Haus auch leer sein, fühlt es sich an, als ob der letzte Mönch gerade erst das Zimmer verlassen hat. Damit liege ich nicht ganz falsch und lausche gespannt der Klostergeschichte. Bis 1985 wurde das Kloster Santa Rosalia vom letzten Erimiten-Mönch bewohnt, der seine letzten fünf Lebensjahre dort ganz alleine verbracht hat. Danach hat man das Kloster so belassen, wie man es nach seinem Tod vorgefunden hat. Ich betrete seine Kammer, versuche mir vorzustellen, wie so ein Leben ist. Heute, wo man schon nach 10 Minuten ohne Handyempfang in eine Lebenskrise taumelt, wohnte ein alter Mann viele Jahre alleine. Kein Gespräch mit Menschen, kein Fernsehen, keine Medien – einfach alleine mit sich und seinem Glauben in einem sehr alten Haus mit überall leerstehenden Klosterkammern. Kein anderer Mönch ist mehr da. Einsamkeit bekommt für mich einen neuen Namen und ehrlich gesagt keine gute Vorstellung. Ich würde in dieser Einöde wahnsinnig werden. Mich fröstelt es. Ziehe an den leeren Räumen vorbei. Komme mir vor wie ein Eindringling, weil ich doch nicht umhin kann, zu schauen, welche Habseligkeiten die alten Mönche bis zu ihrem Tod hatten. Ein Hauch von nichts… – abschreckend und faszinierend zugleich!

Bis 1985 wurde das Kloster Santa Rosalia vom letzten Erimiten-Mönch bewohnt, der seine letzten fünf Lebensjahre dort ganz alleine verbraucht hat.

Die Küche wirkt gegen die tristen Kammern der Mönche fast fröhlich.

Ob die Mönche Pizza backten?

Auch hier: Wie soeben verlassen…

Und doch einen Hauch von Luxus im Kloster

Das Kloster hatte auch glanzvollere Zeiten erlebt und ist viele Jahre ein Wallfahrtsort. Man hatte eine Höhle entdeckt. Dort soll sich die heilige Rosalia zurückgezogen haben, als sie nicht den für sie vorgesehenen Mann heiraten wollte – eine Legende in Sizilien, die schon in Palermo ihren Anfang nahm. Der pfiffige Kaufmann Francesco Scassi aus Genua hörte davon und beschloss nach Sizilien zu gehen und sein ganzes Geld in den Bau der Eremitage zu investieren. Während des 18. Jahrhunderts ist die Eremitage de Quisquina eine der bekanntesten auf ganz Sizilien, wurde von Bischöfen, Fürsten und Kardinälen besucht und brachte viele Spenden ein. Das erklärt die prachtvolle Kirche am Ende des Klosters und auch das einzig schmuckvolle Zimmer in der Eremitage, wo der Kaufmann auf seinen Besuchen mit seiner Angetrauten genächtigt haben soll.

Der einzige prunkvolle Raum im Kloster gehörte dem Kaufmann und seiner Frau.

Im Vergleich zum Kloster ist die Kirche Luxus.

Die berühmte Höhle: Eine Flucht der fehlenden Liebe wegen

Der Besuch der Höhle hinter dem Kloster ist sehr beeindruckend. Durch ein kleines Loch im Felsen gelangt man in die Höhle, in der Santa Rosalia viele Jahre gelebt hatte. Klein und sehr schmächtig muss sie gewesen sein, denn die Gänge in der historischen Wohnhöhle sind schmal und winzig. Gebückt muss man von Zimmer zu Zimmer gehen – ein Abenteuer. All das hat Rosalia auf sich genommen, damit sie der Hochzeit mit einem Mann entkam, den sie nicht liebte, aber man für sie ausgesucht und vorbestimmt hatte.
Inmitten der Höhle hat man ihr zu Ehren eine liegende Marmorstatue erschaffen, die stets mit Blumen geschmückt ist. Tief in die Grotte traue ich mich mit meinen Körpermaßen und leichter Platzangst allerdings dann doch nicht. Der Zugang ist so schmal, dass ein Besuch durchaus auch eine Herausforderung ist.

Schmale Gänge zur Wohnhöhle: Hier versteckte sich die heilige Rosalia, als sie nicht den für sie vorgesehenen Mann heiraten wollte. Nur die wahre Liebe (zu Gott?) zählte…?

Geheimgänge des Klosters

Die geheimnisvolle Krypta: Zwischen Horrorfilm und Medizinshow

Durch unterirdische Gänge führt uns der Weg weiter in eine andere Welt. Ein Blick nach oben, ob sich doch die steinerne Luke über mir nicht schließt, kann nicht schaden denke ich und gleite sanft wie eine Katze noch eine Ebene tiefer. Wir verlassen das Areal der Grotte und Kirche. Etwas Gruseliges und zeitgleich Spannendes wartet auf uns. Die Türe zur Krypta wird uns geöffnet. Versteinert bleibe ich auf der Schwelle stehen. Das erste was ich sehe: Ein aufgebahrter Leichnam rechts von mir. Vor mir hinter Glas aufrecht stehen Mumien. Totenköpfe und Gebeine wo hin ich schaue. Ich weiß noch nicht, ob ich mich in einem Horrorfilm oder einer Medizinshow befinde. Fasziniert trete ich näher, während Angela uns die Erklärungen des Klosterführers übersetzt. Die Vergänglichkeit des Lebens wird mir vor Augen geführt. Die Leichenkonservierung hier in den Bergen erinnert an die Kapuzinergruft in Palermo, die auch als das Museum des Todes bekannt ist. Italien war vor Jahrhunderten ein Hotspot der Mumifizierung. Tausende Menschen ließen sich im siebzehnten bis zum neunzehnten Jahrhundert in Katakomben bestatten. Die Kosten für eine Mumifizierung waren hoch. Nur Wohlhabende und Berühmtheiten konnten sich diesen Prozess leisten. Das in Palermo entwickelte System wurde auch im Eremo di Santa Rosalia alla Quisquina primär für verstorbene Mönche angewandt. Die Krypta soll voll von den Gebeinen der Klosterbewohner sein. Anschaulich wird heute gezeigt, wie es damals gewesen ist. Der Arbeitstisch mit dem Leichnam ist aufgebaut. Tote wurden hier einbalsamiert, getrocknet und aufgebahrt. Der Prozess war kompliziert und ausgeklügelt. Der Körper musste direkt nach dem Tot in einem Präparationsraum („Colatoio“). Organe wurden entfernt und durch Stroh ausgetauscht. Alle Flüssigkeiten mussten den Körper verlassen. Eine Schauer läuft mir bei der Beschreibung und dem Anblick über den Rücken. Gut ein Jahr mussten die so präparierten Leichname mit spezieller Luftfeuchtigkeit und Temperatur gelagert werden. Danach sollen sie mit Essigwasser und anderen Substanzen abgerieben worden sein und konnten erst dann mit Kleidung an die Luft. Sehr begehrt waren Stehplätze in den Wandnischen, wie vor mir in der Krypta des Kloster Santa Rosalia. Ein beeindruckender Besuch und eine spannende Reise in die Vergangenheit. Nachdenklich mache ich mich auf den Rückweg, dabei mit den Gedanken im Kopf: „Wenn der Tod mit zum Leben gehört“…

Mumifizierung der Leichname war auf Sizilien angesagt. Der in Palermo entwickelte Prozess wurde auch im Eremo di Santa Rosalia alla Quisquina primär für verstorben Mönche angewandt.

„Stehplätze“ der mumifizierten Leichname waren sehr begehrt.

Restauranttipp: Essen wie bei Mamma bei Romeo in Cammarata

Zwischen Agrigento und Palermo liegt eine eher entlegene und wenig besiedelte Region Siziliens. Westlich am Berg Monte Cammarata liegt das kleine „Doppelstädtchen“ Cammarata/San Giovanni Gemini. Wir schrauben uns mit dem Reisebus durch kurvige Straßen nach oben und kehren auf unserer Gebeco-Rundreise zum Mittagessen bei Ristorante South 1995 ein. Nach dem Besuch des einmaligen Klosters sind wir hungrig. Müssen wir auch sein, denn der gastfreundliche Romeo Albanese tischt uns fantastisches, sizilianischen Essen auf – wie bei Mamma! Vieles baut er selbst an oder stammt aus einem Umkreis von einem Kilometer. Das schmeckt man bei jedem Happen! Ich bin im Vorspeisenhimmel angekommen und probiere auf den vielen Tellern hier und da ein bisschen. Dabei kann ich mich nicht entscheiden, was besser schmeckt. Die Salsiccia, die sizilianische Rohwurst mit gerösteten Fenchelsamen ist ein Gedicht. Das Olivenöl der Region gehört zu den besten Siziliens und auch der Käse mundet wunderbar.
Wie immer in Italien: Ein krönendes Dessert darf zum Abschluss eines tollen Menüs nicht fehlen. Kein Sizilien ohne süße Cannoli! Romeo zeigt uns, wie es geht.
Wenn Ihr für eine Einkehr bei Ristorante South 1995 nicht in der Nähe seid, fahrt den Umweg – es lohnt sich!

Alles aus der Region – schmeckt fantastisch!

Umwerfend leckere Vorspeisen: Ristorante South 1995

Bei Romeo Albanese wird wie bei Mamma gekocht!

Kein Sizilien ohne süße Cannoli! Romeo zeigt uns, wie es geht!

Das Dorf Sant’Angelo Muxaro und seine Grotte

Unweit vom Restaurant und Kloster liegt der Ort Sant’Angelo Muxaro, der ebenfalls einen Stopp wert ist. Das Dorf liegt auf einem Hügel. An einer steilen Kurve führt ein unscheinbarer Weg zu einer der interessantesten Steinhöhlen der italienischen Urgeschichte. Die Grotta Sant’Angelo ist das größte protohistorische Tholos-Grab in Sizilien. Reichhaltige Grabbeigaben machen den Fundort sofort zu einem der bedeutendsten und sehenswertesten im frühgeschichtlichen Sizilien. Heute stehen wir nur vor einer leeren Höhle, aber Angela lässt für uns den Raum wieder mit Geschichte und Geschichten aufleben.
Der Ort selbst lebt von Landwirtschaft. Mandeln, Pistazien und Oliven werden hauptsächlich angebaut. Während wir einen köstlichen „doppio espresso“ in dem Dorfcafé trinken, genieße ich die typisch italienische Atmosphäre: laut knattert eine Vespa vorbei, Geschirr klappert, die Kaffeemaschine zischt laut und zwischen allem die so schöne italienische Sprache mit wild gestikulierenden Männern – Italien pur! Ich liebe es. Gedankenversunken nehme ich den Moment auf. Da steht Angela mit dem Bürgermeister des Ortes vor mir. In Italien sind alle Wege kurz, dass ist mir schon öfters passiert. Lächelnd machen wir die Bekanntschaft, besiegeln das mit einem weiteren Espresso. Ich erfahre, dass das kleine Örtchen für Gäste eine besondere kulinarische Tour anbietet: Kochen und Essen wie bei Mamma! Ein Menü wird sich durch den historischen Ort und Küchen der einheimischen Italienerinnen erlaufen, in den privaten Küchen probiert und gekostet. Das hört sich sehr verlockend an. Mehr Infos bekommt Ihr auch bei unserer Reiseführerin Angela Domingo.

Zugang zur Grotta Sant’Angelo

Blick aus der Grotte zum Berg vor dem Dorf Sant’Angelo Muxaro.

Mehr Sizilien
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Offenlegung: Meine Recherchereise durch Sizilien wurde von Gebeco Gesellschaft für internationale Begegnung und Cooperation mbH & Co. KG unterstützt – ganz herzlichen Dank dafür! Der Inhalt dieses Artikels ist natürlich von der Einladung unbeeinflusst und spiegelt meine eigene Meinung wider. Für den Beitrag erhielt ich kein Honorar.

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