Scilla, ein Fischerdörfchen an Kalabriens Costa Viola, ist von den Mythen des Meeresungeheuers Skylla und der jahrhundertealten Kunst der Schwertfischer geprägt. Der Ort befindet sich am südwestlichsten Zipfel Kalabriens und bietet einen direkten Blick auf Sizilien. Scilla ist ein lebendiges Zeugnis maritimer Traditionen und ist in eine atemberaubende Naturkulisse eingebettet. Obwohl Scilla als touristischer Anziehungspunkt immer beliebter wird, hat es seinen ursprünglichen Charakter bewahrt. Ein Besuch auf einer Kalabrien-Rundreise lohnt sich!
Inhaltsverzeichnis
Chianalea: Ein Ankerplatz aus Stein und Wasser
Ein Schritt von der belebten Hauptstraße in das Viertel Chianalea von Scilla ist wie das Eintauchen in eine andere Welt. Das alte Fischerdorf, das oft liebevoll als „Venedig Kalabriens“ bezeichnet wird, ist in seiner Bauweise einzigartig. In Chianalea scheint die Grenze zwischen Meer und Mensch aufgehoben. Die Häuser stehen nicht am Wasser, sondern ragen hinein. Es wirkt, als hätte sich das Dorf seit Jahrhunderten entschlossen, nicht nur an, sondern mit dem Meer zu leben. Zwischen den Fassaden, deren Rückseiten direkt auf das Tyrrhenische Meer blicken, gleiten kleine Boote ins Wasser und schaukeln an Leinen vor den Türen – als wären sie Haustiere. Diese intime Beziehung zwischen Mensch und Meer ist faszinierend. Die Fischerboote liegen nicht in einem weitläufigen Hafenbecken, sondern sind direkt vor den Haustüren in schmalen Nischen zwischen den Gebäuden „geparkt“. Sie warten geduldig darauf, ins Wasser geschoben zu werden – ein tägliches Ritual, das die Verbundenheit der Bewohner mit dem Meer widerspiegelt. An einem Tag wie heute, an dem sich die Sonne hinter Wolken versteckt, zeigt Chianalea seine stillen Töne. Die wenigen Boote, die zwischen den Häusern schaukeln, wirken dann wie Farbtupfer auf einem Gemälde aus gedämpften Blau- und Grautönen. Dieses Viertel ist keine Kulisse, sondern ein lebendiges Zeugnis einer Kultur, die sich über Generationen hinweg organisch entwickelt hat – authentisch und unaufgeregt.

Chianalea – das stille Herz von Scilla

Boote zwischen den Häusern – in Chianalea ganz normal. Nur heute: kein einziges. Alle Fischerboote waren draußen auf dem Meer.

In Scilla leben Meer und Dorf im Gleichklang

Enge Gassen, charmante Häuser in Scilla.
Die Schwertfischer: Ein uraltes Ballett auf dem Meer
Der Schwertfisch prägt Scilla nicht nur kulinarisch, sondern auch kulturell. Seine Jagd ist ein tief verwurzeltes Ritual, das sich seit Jahrhunderten in der Straße von Messina abspielt. Diese Meerenge ist von entscheidender Bedeutung für den Schwertfischfang, denn hier kreuzen die majestätischen Tiere auf ihrer jährlichen Wanderung. Sie ziehen von wärmeren Gewässern, in denen sie sich fortpflanzen, zu kühleren Regionen, in denen sie reichlich Nahrung finden. Die geografische Enge der Straße von Messina konzentriert die Schwertfische auf dieser Route und macht die Meerenge so zu einem idealen Fanggebiet. Zudem ist sie für ihre starken Strudel und Sogströmungen bekannt, die die Navigation für die Fischer besonders anspruchsvoll gestalten, die Fische aber auch in bestimmte Bereiche leiten.
Typischerweise von Mai bis August, wenn die Schwertfische ihre Wanderung durch diese Gewässer antreten, begleiten die einzigartigen „Spatare“-Boote sie. Diese traditionellen Fischerboote sind mit einer langen Plattform am Bug und einem hohen Ausguck, der sogenannten „Coffia“, ausgestattet. Vom erhöhten Ausguck aus erspäht der „Vedetta“, der aufmerksame Beobachter, die Tiere im Wasser. Sein Zeichen leitet den „Lanciatore“, den Harpunierer, ein, der die gezielte Jagd beginnt.
Diese Methode ist für ihre Präzision und Nachhaltigkeit bekannt. Sie zielt auf einzelne Fische ab und wird von Generation zu Generation weitergegeben. Sie ist ein Ballett, das sich oft lautlos und mit großer Konzentration vollzieht. Der Schwertfisch ist ein äußerst wendiges und starkes Tier, das sich nicht einfach mit Netzen fangen lässt. Er würde sich aus herkömmlichen Netzen schnell wieder losreißen oder diese sogar zerreißen. Zudem würde der Einsatz von Netzen zwangsläufig zu unerwünschtem Beifang führen, den die Fischer seit Jahrhunderten vermeiden möchten. Die direkte Konfrontation mit der Harpune ist daher nicht nur eine Frage der Tradition, sondern auch der Effizienz und des Respekts vor dem Ökosystem. Unsere Gebeco-Reiseleiterin berichtet uns, dass die Fischer in dieser Region auf zwei Fische pro Tag limitiert sind, um die Bestände zu schützen und die traditionelle Fangweise zu erhalten. Ein Fisch wiegt allerdings 200 bis 250 Kilogramm, sodass die Tagesausbeute durchaus reichlich ist.
Die Fischer wissen bei ihrer Jagd außerdem von einer weiteren Besonderheit der Schwertfische: Es heißt, das Männchen folge dem Weibchen bis in den Tod. Daher versuchen die Fischer zuerst, das Weibchen zu erlegen, da das Männchen oft in der Nähe bleibt und ebenfalls gefangen werden kann. Es ist eine faszinierende Mischung aus überliefertem Wissen und tiefem Respekt vor der Natur.

In der Straße von Messina: Bühne für das stille Ballett der Schwertfischer
Scilla für Genießer: Kulinarik am Meer
Wer durch Scilla spaziert, begegnet dem Meer nicht nur visuell – sondern auch kulinarisch. Fast jeder Teller scheint hier eine Geschichte zu erzählen, und fast jede beginnt mit dem Fang des Tages. In den Tavernen entlang der kleinen Promenade von Marina Grande oder in den versteckten Lokalen von Chianalea spielt der Schwertfisch die Hauptrolle. Ob gegrillt, geräuchert, in hauchdünne Scheiben geschnitten oder als würzige Pasta – die Zubereitung ist stets einfach, nie banal.
Wir kehren zum Mittag ein ins „Il Ponte“. Es ist ein einfaches Lokal, direkt am Meer gelegen. Wer draußen sitzt, genießt den Blick auf die majestätisch auf dem Berg thronende Burg. Die Bucht mit dem fantastischen Strand liegt direkt vor einem. Man sitzt unmittelbar am Meer – und hat einen frisch gegrillten Schwertfisch auf dem Teller. Dazu ein Glas kalabrischer Weißwein, vielleicht ein Cirò – und der Nachmittag hat seinen eigenen Takt gefunden.
Nichts ist hier opulent. Aber alles ist authentisch. Das schmeckt man im fruchtigen Olivenöl ebenso wie im frischen Thymian und der Zitrone, die wie selbstverständlich neben dem Fisch liegen. Und wer danach noch einen Espresso bestellt, sieht mit etwas Glück ein Spatare-Boot vorbeiziehen. Mehr braucht es nicht, um zu bleiben – oder wiederzukommen.

Schwertfisch auf dem Teller, die Burg im Blick – Scilla serviert Ausblicke und Aromen zugleich.

Das Castello Ruffo – steinerner Wächter über der Costa Viola

Lebensgefühl Scilla: Ein Glas in der Hand, das Meer zu Füßen – Aperitivo über dem Wasser.

Die Geschichte der Schwertfischer – anschaulich erzählt mit Bootsmodellen im Museum.
Castello Ruffo: Wächter über Meer und Mythos
Hoch über Scilla thront das Castello Ruffo, ein wuchtiges Bollwerk aus Stein, das seit Jahrhunderten die Küste bewacht. Der Weg zur Burg führt entweder zu Fuß durch enge Gassen oder, was an heißen Tagen eine willkommene Alternative (für mich) ist, per Tuk-Tuk. Oben angekommen, eröffnet sich ein atemberaubender Blick: Oben angekommen öffnet sich der Blick wie eine gemalte Kulisse: terracottafarbene Dächer, das flirrende Blau des Meeres, das weiße Band des Strands von Marina Grande. Doch so leicht der Blick schweift, so schwer wiegt die Geschichte.
Die Ursprünge der Festung reichen bis in die Zeit der Normannen zurück. Später wurde sie von den Aragonesen ausgebaut und schließlich von der Adelsfamilie Ruffo als Machtzentrum genutzt. Bis heute prangt ihr Wappen über dem Eingangstor.
Doch nicht nur Historiker finden hier Stoff, sondern auch Liebhaber der Mythologie. Denn laut Homers Odyssee soll hier das Meeresungeheuer Skylla gelauert haben, das Pendant zur gefährlichen Charybdis auf der sizilianischen Seite. Diese beiden Fabelwesen machten die Meerenge von Messina seit der Antike zu einem gefürchteten Ort für Seefahrer. Skylla, einst eine schöne Nymphe, wurde der Legende nach durch einen Zauber in ein Ungeheuer mit sechs Köpfen und zwölf Tatzen verwandelt. In ihrer Grotte lauerte sie auf vorbeifahrende Schiffe und riss jedem, der ihr zu nahekam, einen Mann von Bord.
Das wahre Grauen bestand in der Wahl: Wer Skylla ausweichen wollte, geriet in die Strudel von Charybdis. Wer Charybdis meiden wollte, musste dicht an Skyllas Felsen vorbeisegeln. Zwischen diesen beiden Gefahren hindurchzusegeln wurde zum Inbegriff eines Dilemmas – und gab dem Ort seinen Namen. Aus Skylla wurde Scilla.
In der Burg befindet sich ein kleines Museum mit Funden aus der Umgebung, Modellen der Spartaner-Boote und Informationen zur Schifffahrt in der Meerenge. Das eigentliche Erlebnis findet jedoch draußen statt, wo der Wind an der Mauer rüttelt und die Zeit stillzustehen scheint.

Castello Ruffo – Geschichte mit Aussicht

Wenn die Sonne brennt, bringt das Tuk-Tuk Erleichterung – und Aussicht inklusive.

Wind, Stein und Weitblick: die Burg über Scilla

Die alten Mauern erzählen von Normannen, Aragonesen und Legenden
Marina Grande und die Costa Viola: Ein Gemälde aus Licht und Farben
Nach den verwinkelten Gassen von Chianalea und den geschichtsträchtigen Mauern des Castello Ruffo zieht es uns hinab nach Marina Grande. Der Ort bildet den modernen Gegenpol zu den engen Gassenlabyrinthen. Unterhalb der Promenade zieht sich ein langer Strand aus Kies und Sand entlang, gesäumt von kleinen Bars, Sonnenschirmen und dem unaufhörlichen Rhythmus der Wellen.
Doch der wahre Zauber dieses Küstenabschnitts offenbart sich im Licht. Scilla liegt an der sogenannten Costa Viola, der „Violetten Küste“. Dieser poetische Name ist kein Zufall, sondern eine Hommage an das einzigartige Farbenspiel, das sich hier, am südwestlichsten Zipfel Kalabriens, täglich ereignet. Wenn die Sonne langsam am Horizont versinkt, taucht sie die schroffen Felsen und das ruhige Meer in einen magischen Schimmer. Violette, rote und goldene Farbtöne spiegeln sich auf der Wasseroberfläche und den zerklüfteten Klippen wider.

Blick vom Castello Ruffo auf den Strand – diesig, aber mit fast 40 Grad überraschend heiß.
Kalabrien erleben – mit Gebeco unterwegs
Scilla war nur einer von mehreren eindrucksvollen Orten auf unserer achttägigen Kalabrien-Rundreise mit Gebeco. Von der Felsenküste in Tropea bis zum ruhigen Hochland von Serra San Bruno verband die Reise Küstenlandschaften mit Geschichte und Kulinarik mit Kultur. Besonders angenehm war, dass wir nichts organisieren mussten. Es gab keinen Mietwagen, keine Routenplanung und kein Suchen nach Hotels. Stattdessen führte ein lokale Reiseleiterin durch ein Programm, das ausflüge ermöglichte, ohne zu überfrachten – und doch gehaltvoll blieb.
Unsere Unterkunft lag direkt am Meer. Von dort aus starteten die Tagesausflüge, unter anderem nach Scilla, Pizzo, Reggio Calabria und zu den Äolischen Inseln. Wer wollte, konnte an den freien Nachmittagen baden, schlendern oder einfach nur sitzen und die Aussicht genießen. Die Gruppen sind überschaubar, die Organisation durchdacht. Und wer wie wir den Schwertfisch auf der Zunge und den Blick aufs offene Meer genießen durfte, weiß: Diese Art zu reisen ist entspannt, entschleunigt und schenkt jeden Tag ein neues Erlebnis.

Die Gebeco-Rundreise verbindet Kultur, Küche und Küstengefühl
Dies ist ein redaktionell erstellter Artikel, der teilweise durch die Unterstützung von Gebeco ermöglicht wurde. Die Unterstützung hat jedoch keinen Einfluss auf den Inhalt und spiegelt meine eigene Meinung wider. Für den Beitrag habe ich kein Honorar erhalten.


Was für ein wundervoller Artikel voller Genuss, Meer und Lebensfreude. Danke sagt Daniela
Danke Dir – ja, das ist Italien :-) Liebe es dort! Liebe Grüße Tanja
[…] führt die Route weiter entlang der Costa Viola. Kurz hinter einer Kurve liegt plötzlich Scilla vor uns, ein wie gemaltes Fischerdorf. Im Viertel Chianalea reichen die Häuser direkt bis ins […]