“Befreit ihn! Lassen sie ihn in die Freiheit!” höre ich voller Energie eine Frauenstimme sagen, als ich das gemütliche Haus auf dem Clostermann Anwesen betrete. Vor mir sitzen über 20 Menschen an Tischen und nicken andächtig. Ich bin zu spät. Zu spät, weil wieder einmal das Navi mich durch das halbe Ruhrgebiet statt auf direktem Wege durch schöne Niederrheinlandschaften lotste. Etwas abgehetzt komme ich daher zu meinem Teeseminar in Wesel. Dabei sollte man eine Teestunde mit Ruhe und Bedacht beginnen.
Ich versuche, mich unauffällig unter die bereits Anwesenden zu mischen – aber keine Chance. Mit herzlicher Gastfreundschaft wird mir ein Platz in der ersten Reihe frei gemacht, Stühle gerückt, Geschirr angeschleppt und ich versuche mich mit meinem Gerödel dezent zu platzieren. So viel Aufmerksamkeit ist mir unangenehm, aber an Unsichtbarmachen ist bei meinem Auftritt und dann noch in der ersten Reihe nicht dran zu denken.
Man widmet sich wieder dem Tee. Majestätisch schwenkt Thea Clostermann die gefüllte japanische Teekanne vor unseren Augen. “Ein Tee-Ei ist das Gefängnis des Tees. Tun Sie ihm das nicht an. Arbeiten Sie besser mit einem Zwei-Kannen-Prinzip.”, klärt sie uns auf und füllt mit einem Sieb den Tee mit losen Teeblättern der einen Kanne in eine neue vorgewärmte Kanne.
Es riecht nach frischem Tee mit einer gerösteten Note. Hojicha heißt der japanische Grüntee erfahren wir als Thea uns der Reihe nach eine Tasse in unsere Schalen gießt. Diese Sorte ist häufig in Japan anzutreffen und wird auch als Alltagstee bezeichnet. Leicht verträglich, förderlich bei Stress und mit wenig Koffein aufgrund der Röstung. Hell sieht der Tee in meiner Schale aus. Wir schwenken leicht das Gefäß, als ob wir guten Wein probieren würden. Ob man das so tun muss, weiß ich nicht, aber wir alle scheinen uns innerlich an die letzte Weinprobe zu erinnern.
Thea Clostermann schweigt und schaut in die Runde. Sie lässt uns Zeit für unseren Teegenuss. Wir riechen an ihm, nippen und trinken vorsichtig den ersten Schluck. Für mich ein ungewöhnlicher Geschmack, aber sehr lecker.
“In Japan bereitet man eine Tasse Tee zu, dann wird getrunken und dann erst neu aufgegossen.”, erfahren wir weiter Wissenswertes über die Welt des Tees von Thea. Die 63jährige versprüht Energie, Freude und eine ganz besondere Liebe zu Tee. Erst seit kurzem hat Sie bei Otto Ratker ihre Ausbildung zum Tee-Sommelier gemacht und führt seit dem sehr erfolgreich am Niederrhein regelmäßig Teekurse durch.
Wir sollen Teemaßlöffel vergessen, rät uns Thea. “Dosieren Sie mit dem Herzen”, beteuert sie, “Vertrauen Sie Ihrem Herzen und dosieren Sie, wie stark oder mild Sie die Teesorte mögen. Spielen Sie und lassen Sie Ihrem Tee den Spielraum.” Ich selbst konnte noch nie etwas mit den Vorgaben auf den Teepackungen anfangen. Viele Teilnehmer nicken und anscheinend stehe ich damit nicht alleine.
Mit dem Herzen also, denke ich, greife in die Schale mit dem nächsten losen Tee und lasse ihn andächtig in die kleine Teekanne rieseln. Der seitliche Griff der Kännchen ist ungewohnt, aber durchaus praktisch. Als nächstes testen wir einen Olong Tee und Thea Clostermann führt uns in die Welt des Fermentierens und Oxidierens und was es damit auf sich hat. Auch hier hat sie die richtige Dosierung – vielleicht auch mit dem Herzen. Es ist genau so viel Information, dass wir nicht mit Tee-Wissen überfrachtet werden, doch ausreichend um all unsere Fragen zur japanischen Teestunde beantwortet zu bekommen.
Während der Tee zieht werden herzhafte und süße Reiskuchen gereicht. Nicht nur das Geschirr und Ambiente ist ein Genuss – geschmacklich sind die Kuchen einmalig und runden den Teegenuss perfekt ab. Interessiert lese ich auf dem Flyer, dass das Teehaus auf dem Clostermannhof auch für Frühstücke und “öffentliche” Teestunden am Wochenende geöffnet hat. Gedanklich plane ich schon meinen nächsten Besuch. Das Umland reizt zu einem Spaziergang, nebenan gibt es frische Sachen aus dem Hofladen zu kaufen und bestens kann ein Ausflug mit einer Teestunde hier starten oder sanft ausklingen.
Zum Abschluss unseres kleinen Teeseminars wollen wir alle noch etwas zum geheimnisvollen Matcha Tee wissen. Jeder kennt hier das Pulver, aber so richtig wissen wir nicht, wie daraus ein köstlicher Tee zubereitet wird. Zum Matchatee gibt es besondere Teeseminare, doch eine kurze Einführung dürfen wir mit der Niederrheinerin genießen. Matcha ist ein Tee, wo die Blätter ganz zerrieben werden. Das Pulver ist eine Kostbarkeit. Wir genießen weiter den vor uns stehenden Tee, während uns Thea das Zubehör des Luxustees von der massiven Trinkschale, über Dosierlöffel und Bambusbesen genau erklärt.
“Stellen Sie sich vor, sie sitzen in einem japanischem Garten. Viel Grün ist um sie herum und vor Ihnen steht ein Teehaus.”
Die angenehme Stimme der 63jährigen nimmt uns mit auf eine besondere Reise und anschaulich und blumig beschreibt sie, wie es wäre, wenn wir statt am Niederrhein in Japan zu einer Teestunde eingeladen würden. Ein innerer Film läuft bei ihrer Geschichte vor mir ab. “Der Eingang des Teehauses ist kleiner als der Gast groß ist. Sie betreten den Raum daher gebückt, mit Demut.”, führt sie uns weiter mit einem Augenzwinkern durch ihre Geschichte und beginnt in Ruhe und mit Stille die Teezeremonie. 80 Grad heißes Wasser wird auf das grüne Gold gegossen und mit dem Bambusbesen fast tantrisch zu einem köstlichem Getränk aufgeschlagen.
“Teetrinken ist Kultur”, schwärmt Thea als ich nach dem Seminar mit Ihr zusammensitze. Die Augen leuchten als sie mir Geschichten aus Ihrem Leben erzählt. Als niederrheinische Seele ist sie viel gereist, war oft in arabischen Ländern. Jedes Land hat für Thea seine Ursitten und sie nimmt mich mit auf Ihre Reisen zum Teegenuss nach Japan, China, Ostfriesland und England.
„Es ist bezaubernd über den Tee einer fremden Kultur näher zu kommen…“
Nicht ein Ausflug in die Ferne, sondern an den Niederrhein empfehle ich Euch, wenn Ihr in die Welt des Tees eintauchen wollt. Das Teehaus auf dem Clostermannhof bietet verschiedene Themen an und lockt definitiv zum Wiederkehren.
Offenlegung: Ich wurde zu einer Teilnahme am Teeseminar von Thea Clostermann eingeladen – herzlichen Dank dafür. Meine Meinung bleibt wie immer die eigene.
Hallo liebes „viel Weib“! Herzlich willkommen auch mal im Münsterland.
Dort gibt es den „KLEINEN TEEGARTEN“ in Lüdinghausen. In diesem Jahr noch einmal am Sonntag den 25. September mit einer herbstlichen Teestunde. Wenn´s Wetter passt, einen königlichen Genuss erleben, bei uns im „KLEINEN TEEGARTEN“! You´re welcome!
Danke für den Tipp, ich weiß nicht ob es dieses Jahr noch klappt. Aber ich werde auf jeden Fall mal vorbei schauen. Guter Tee ist leider so selten.
Und schon wieder ist ein Jahr herum… Lege mir Deinen Tipp auf eine Frühjahrstour – das sieht toll aus <3