Texel Dadaismus: Strandgut, Kreativ-Workshop und ein skurriles Museum

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Davor haben Euch Eure Eltern immer gewarnt! „Nicht anfassen! Liegen lassen!“, rief meine Mutter mir drohend und wild gestikulierend von der Strandmatte aus zu, wenn ich mit glücklichen Kinderaugen am Morgen das frisch angespülte Strandgut einsammeln wollte. Für mich waren es Schätze des Meeres und ich die Piratin, die barfuß durch den feuchten Sand ihre Welt inspizierte. In einem Kreativ-Workshop auf Texel könnt Ihr diese und noch mehr Kinderträume für Euch wieder entdecken!

Kreativworkshop: Wecke das Kind in Dir!

Damals war ich versucht, durch die tosende Brandung und das Meeresrauschen meine Mutter zu ignorieren. Sicherlich hatte sie ein anderes Kind gemeint, oder meinen Bruder, der wurde eh öfter ermahnt als ich, die liebliche Prinzessin. Also lächelte ich unschuldig, winkte in ihre Richtung (nett sind Prinzessinnen ja immer) und gab mich meinen Schätzen erneut hin. Stolz schleppte ich danach meinen Strandeimer mit der Ausbeute zum Familienlager. Doch statt mit Freude über meine Schätze fiel die Begrüßung knapp aus, endete mit einer flotten Leerung meines Eimers über den Müllkübel und Grundsäuberung meiner Person unter der Stranddusche.

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Unser Kreativ-Workshop findet heute in den Räumlichkeiten vom Ecomare statt

Mehr als 40 Jahre später sitze ich in einem Workshopraum im Ecomare auf Texel. Neugierig warte ich auf unseren Kreativkurs. Neben mir war jemand schon besonders eifrig: Während ich etwas länger geschlafen und das Frühstück genossen hatte, war mein Sitznachbar schon in aller Herrgottsfrühe am Strand spazieren. Löblich, aber für mich im Urlaub keine Option. Neidisch schaue ich allerdings jetzt zu seinen Fundsachen herüber, greife mir einer der schönen sandfarbenen Muscheln und drücke meine Bewunderung aus. Ob er wohl alle bräuchte, frage ich lächelnd. Sein Nein, machte uns heute Morgen zu Freuden. Je nachdem, was in diesem Kreativworkshop auf uns zu kommt: Etwas Schönes vom Strand hatte ich schon mal erräubert!
Dann kommt unsere Kursleiterin, angesagte Künstlerin der Insel, mit vollen Tüten. Mit Elan hievt sie diese auf die Tische und schüttet sie schwungvoll vor uns aus. Eine Duftwolke umgibt uns, die mich schlagartig in meine Kindheit zurückversetzt. Es ist eine Mischung aus Sand, Erde, Salz und etwas Moder – eine herrliche Mischung! Vor uns liegen Unmengen an Strandgut – alles, was in Texel vom Meer ans Land gespült wurde. Ich lasse die bunte Mischung auf mich wirken. Bin ich so alt geworden? Wo waren die einstigen Schätze des Meeres von damals? Heute sehe ich nur Müll. Viel Plastik, hier und da Treibholz, Fischernetze, Planen, Schuhsohlen, Handschuhe, Taue und wieder Plastik in allen verschiedenen Formen und Arten.

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Aus Strandgut Kunst zaubern

Ermunternd fordert die Kursleiterin Door Dogger uns auf, uns etwas vom Strandgut zu nehmen, uns inspirieren zu lassen, was wir daraus Kreatives basteln wollen. „Schaut es Euch aus der Nähe an, sucht etwas Neues, haltet es in den Händen, lasst Euch spontan von den Dingen stimulieren!“ Anfassen? Etwas verhalten lächeln wir uns alle an. Die warnenden Rufe meiner Mutter hallen in meinem Kopf und sind zum Greifen nah, als ob sie hinter mir stehen würde. Während ich noch überlege, was ich wo anfassen soll, greift meine Nachbarin beherzt zur Trinkflasche. Mutig, denke ich mir, und lasse mir spontan durch den Kopf gehen, wer da wohl alles schon daraus getrunken oder sonst was mit gemacht hat. Ich schiebe den leichten Ekel in mir beiseite und greife mir nun auch Gegenstände vom Tisch. Werde mich doch nicht zu so einem Pingel entwickelt haben? Schon beim Gefühl das Tau in der Hand zu halten, werden erneut Kindheitserinnerungen wach. Es riecht nicht nur intensiv nach Meer, es fühlt sich auch nach Salzwasser an. Das finde ich wiederum spannend und suche mir immer gezielter Sachen aus dem Fundus für mein Kunstwerk heraus.

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Was das Meer auf Texel so anspült…

Schön soll es werden, mein Kunstwerk vom Texeler Strandgut. Gedanklich sehe ich es schon auf meiner Anrichte stehen. Suche nach farblich zu einander passenden Sachen in Erdtönen. Die Farben sind stimmig, aber was nun damit basteln? Um mich herum wird man kreativ, baut einfach drauf los. Ich bin gehemmt. Für mein Schönheitsempfinden gibt der Tisch-Fundus zu viel Plastik, zu wenig Natur her. Kunst kann echt anstrengend sein. Der rettende Einfall naht:  Ich bastle ein Mobile! So knote und klebe ich meine harmonisch abgestimmten Fundstücke zusammen. Kritisch beäuge ich mein Kunstwerk. Es ist in Ordnung, aber begeistert bin ich nicht.

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Erste Idee: Wir basteln uns ein Mobile!

Dann beobachte ich, wie Door sich eine Plastikwasserflasche greift, sie intensiv von jeder Seite beäugt, hier und da das Plastik eindrückt und formt. Sie lässt sich vom Material leiten und entwickelt aus dem einstigen Müll wirklich ein Kunstwerk, als ob es von Anfang nur dafür bestimmt gewesen wäre, hier im Workshop ein Fisch zu werden. Das sieht toll aus. Mir gibt genau das den Anreiz, es ihr gleich zu tun. Alle Bedenken vergessend, wühle ich im Strandgut. Ich erwische eine Plane. Ziehe sie aus dem Rest hervor, betrachte sie von jeder Seite, forme daraus verschiedene Dinge und auf einmal war die Inspiration da! Das wird ein Oktopus. Ich vergesse die Welt um mich herum, fange an, wieder wie ein Kind zu denken und zu fühlen. Egal, wie es später aussehen wird. Egal, ob es farblich harmonisch wirkt oder nicht. Diese Gedanken sind wie weg geblasen – und das fühlt sich gut an! Ganz ohne Druck und ohne finales Ziel im Kopf, forme ich meine Krake. Zwischenzeitlich nimmt sie Formen wie Hui Buh das Schlossgespenst an. Neben der kreativen Schaffensphase lasse ich mein Kunstwerk immer wieder auf mich wirken. Und dann sehe ich plötzlich, was aus diesem Strandgut wirklich das künstlerische Licht der Welt erblicken will: Eine Eule! Das sehen meine Mit-Bastler ähnlich wie ich und gemeinsam setzen wir sie auf ein Stück Treibholz, geben ihr mit Augen und Nase ein Gesicht. Die kindliche Leichtigkeit und Unbefangenheit blüht wieder in uns allen auf – ein herrliches Gefühl! Schön ist vielleicht anders – aber wen interessiert das?

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Darf ich vorstellen: Eine Kraken-Eule!

Zu schnell geht der kreative Workshop leider vorbei. Es hat viel Spaß gemacht und weckt das Kind in einem. Erstaunlich, wie man als Erwachsener sich Dinge auferlegt, die einem gar nicht auffallen. Ist es Erfolgsdruck oder dass man verlernt hat, sich einfach im Kopf treiben zu lassen? Ich weiß es nicht. Ohne diesen Workshop hätte ich das Experiment nicht erfahren. „Ich kann nur ordentlich. An meiner Schlampigkeit muss ich noch arbeiten!“, sagte zum Schluss eine Kursteilnehmerin. Besser kann man unsere heute gestalteten Kunstformen nicht auf den Punkt bringen: Dadaismus verabschiedet sich von konventioneller Kunst und gibt die absolute Freiheit dem Künstler zurück. Unsere Kursleiterin und gebürtige Texelerin Door Dogger hat diesen Kunststil für sich wieder entdeckt und nennt ihren Stil „Texeldada“. Ein Workshop bei ihr ist ein echtes Happening!

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Strandblick vom Paal 17 auf Texel

Genuss am Strand

Nicht weit vom Ecomare hinter den Dünen wartet das offene Meer. Heute fegt der Wind über die Weiten des Strandes. Ich höre das Meeresrauschen und halte inne. Die Luft riecht frisch und tut gut. Meine Lippen schmecken leicht salzig. Ich liebe das Meer!
Am Eingang zum Strand liegt das Paal 17. Früher waren in Holland die Strandbuden einfach, heute sind es oft luxuriöse Strandrestaurants mit guter Küche. Modern und ansprechend gemütlich eingerichtet kann man mit Blick auf das Meer sein Essen genießen. Ich bleibe noch ein wenig auf der Terrasse stehen. Leider ist das Wetter für ein Essen draußen heute zu frisch. Selbst hinter den Glasscheiben spürt man den Wind deutlich.

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Draußen ist es heute windig, ansonsten kann man im Paal 17 wunderbar auf der Terrasse sitzen und aufs Meer schauen…

Die Speisekarte im Strandpavillon ist abwechslungsreich. Da wir nicht so viel Zeit haben, entscheide ich mich für einen frischen Lamm-Burger. Bevorzugt wird mit Texeler Produkten gekocht und auch reichlich fangfrischen Fisch angeboten.

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Flora: Wo Strandräuber ihr eigenes Museum haben!

So etwas gibt es auch nur auf Texel! In einem alten Bauernhaus aus dem Jahr 1840 liegt am Pontweg, zwischen Den Burg und De Koog, ein ganz ausgefallenes Museum: Strandräuber haben sich ein Denkmal gesetzt. Das Juttersmuseum Flora ist das erste echte und größte Strandräubermuseum der Welt.

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Schon vom Parkplatz aus erblicke ich riesige Strandgut-Fundstücke

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Den Eingang zum Strandgut Museum Flora kann man nicht verfehlen

Vom Parkplatz aus entdecke ich bereits unglaubliche Dinge, die ich mir schlecht als Strandgut im eigentlichen Sinne vorstellen kann: Da stehen riesige Schiffsschrauben und ganze Boote auf dem riesigen Areal. Aber alles wurde am Strand gefunden. Das Museum beherbergt Strandfunde aus über 75 Jahren der Strandräuber Jan und Klaas Uitgeest. Die beiden sammelten über 70 Jahre alles, was an Texels Strände gespült wurde – und da sind einige unvorstellbare Dinge dabei.

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In einzelnen Scheunen geht man im Juttermuseum auf Entdeckungsreise

Es nieselt leicht als ich das Museum erreiche, so dass ich mir zunächst einen heißen Kaffee hole und das Ambiente auf mich wirken lasse. Ist es Zufall, dass im „Oranje-Land“ hier viele Ausstellungsstücke in Orange sind? Es ist auf jeden Fall die dominierende Farbe in der kunterbunten Flora. Vor mir laufen Kinder aufgeregt zwischen Ausstellung und ihren Eltern hin und her, kreischen verzückt, was sie alles im Museum entdecken. Das Juttersmuseum ist keine Ausstellung im klassischen Sinne. Hier darf angefasst und entdeckt werden. Sollten die Kinder mal der Ausstellung müde werden, wartet im Museum ein Spielplatz auf sie.

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Im Museum gibt es zentral einen Spielplatz und „Eltern-Parkplatz“ auf Bänken

Ich lasse mich treiben. Entdecke eine Scheune nach der nächsten, bin fasziniert und auch erschrocken, was so alles im Meer getrieben und auf Texel wieder an Land gespült wurde. Seile, Taue, Netze – all das klingt für mich logisch. Aber so viele Arbeitshelme und Handschuhe verwundern mich. Überhaupt scheint es nichts zu geben, was nicht Strandgut sein könnte. Die Auswahl ist faszinierend.

In Scheunen kann man das Strandgut und Wracks bewundern

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Unvorstellbar, was alles Texeler Strandgut ist – selbst Fahrräder werden wieder an den Strand gespült.

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Es gibt anscheinend nichts, was nicht Strandgut sein könnte…

Als besonders wertvoll werden die Schiffswracks und ihre Ladung von den Strandräubern erachtet. So finden sich auch einige Sammlerstücke darunter. Dafür streunen Jan und Klaas Uitgeest nicht nur jeden Morgen an Texels Stränden, sondern hören auch durchaus über Funkgeräte, wo sich ein Wrack der Küste nähert. Es gibt in der Flora allerdings nicht nur Strandgut zu bewundern, sondern auch Dokumentationen, Fotos und Zeitungsartikel. Zeitzeugen entdecke ich auch in der Scheune Nautilus. Diese Scheune wurde aus den Luken der versunkenen „Nautilus“ gebaut. Das Schiff sank am 16. Dezember 1962 zwischen Den Helder und Texel. Wenige Tage nach dieser Katastrophe wurden am Strand von Texel rund 200 Schiffsluken an Land gespült. Dazu finden sich Bierdosen und Fanartikel der ganzen Welt.

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Die Natulisscheune wurde aus Strandgut gebaut

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Lust auf ein Bier?

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Jeder Platz in den Scheunen wird genutzt

Da es weiter regnet, erkunde ich das große Außengelände nicht. Bei Martina im Blog erfahrt Ihr dazu aber mehr. Neben Strandgut beherbergt die Flora nämlich auch zahlreiche Ausstellungsobjekte, die nicht an den Strand gespült wurden, aber zum Thema passen: Da gibt es Motoren, Rettungsbote, ausgediente Kutter und sogar ein Landungsboot aus dem Zweiten Weltkrieg.

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Künstlerisches Farbenspiel: Helme vom Texeler Strand

Noch mehr Lust auf Meer? Der Texeler Leuchtturm!

Lust auf noch mehr Strandfeeling und Erlebnis am Meer? Dann besucht den Leuchtturm von Texel! Stolz und rot leuchtet er an der Nordspitze von Texel und ist das Wahrzeichen der schönen Insel geworden. 1864 wurde er für die damals noch gefährliche Meeresumgebung gebaut. Vor dem Leuchtturmbau gingen pro Jahr mindestens fünf Schiffe unter, im Leuchtturmmuseum gibt es zu diesen traurigen Geschichten mehr zu erfahren. Ebenso, wie Ihr noch immer Einschusslöcher vom Zweiten Weltkrieg im Mauerwerk findet.
Für einen Besuch oben erwarten Euch 118 Stufen. Dafür gibt es eine grandiose Aussicht auf rund 45 Metern Höhe. Bei gutem Wetter schaut man weit über das Wattenmeer, die Nordsee und sieht die Nachbarinsel Vlieland.

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DAS Wahrzeichen von Texel: Der rote Leuchtturm im Norden der Insel

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Strandzugang am Leuchtturm im Norden von Texel in der ersten Abenddämmerung

Weitere Texel-Reisegeschichten hier im Blog

Offenlegung: Meine Recherchereise wurde vom VVV Texel unterstützt – ganz herzlichen Dank dafür! Meine Meinung bleibt wie immer die eigene. Für den Beitrag erhielt ich kein Honorar.

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