Die Luft riecht salzig. Möwen schreien, Netze quietschen über Metallrollen, das Wasser glitzert grell im Gegenlicht. Zwischen Kisten mit Eis und leeren Plastikboxen wartet Marc. Er ist kein Fischer, aber er kennt jeden hier. „Sie kommen gleich zurück“, sagt er und deutet auf die Einfahrt zum Hafen. „Montag bis Freitag, immer um diese Zeit. Nie am Wochenende.“
Kurz darauf erscheinen die Boote am Horizont. Einer nach dem anderen zieht sie hinein in die enge Hafeneinfahrt – blau-weiß gestrichen, mit Namen, die nach Familien klingen. Die Motoren der Boote röhren dumpf, Männer werfen Taue, jemand lacht. Im Schatten des Kais dampft das Wasser. Der Geruch von Diesel mischt sich mit Tang und Salz. Marc nickt. „Das ist der Rhythmus von Palamós. Jeden Tag. Seit Generationen.“

Heute sind es weniger Boote als früherin Palamós. Zwanzig, manchmal fünfundzwanzig, erzählt er. Sie laufen um sieben Uhr morgens aus und kehren zurück, wenn das Licht weich wird. Sie fahren nicht weit. Marc erklärt, dass die Fischerei hier eine Nahfischerei ist, die selten über 50 Seemeilen hinausgeht. Grund dafür ist ein tiefer, unterseeischer Canyon vor der Küste, in dem das Meeresleben quasi konzentriert ist. Die lokalen Fischer verfügen über ein streng limitiertes Recht, diesen Canyon zu befischen. Ein Recht, das nur in Palamós gilt.
Im Winter sind es die älteren, schmaleren Boote, deren Lack matt geworden ist. Sie fahren bei jedem Wetter hinaus – Routine statt Saison. Marc spricht von einem Beruf, der seltener geworden ist, aber noch nicht verschwunden ist. „Viele hier sind in zweiter oder dritter Generation Fischer. Sie kennen das Meer wie andere ihren Garten.“
Hier draußen spielt sich die Gegenwart der Costa Brava ab, weit entfernt von Postkartenmotiven und dem, was man sonst mit der Costa Brava verbindet. Palamós ist kein Ort stillgelegter Traditionen. Es ist ein Hafen, der nach wie vor lebt.




Zwischen Netzen, Eis und Zahlen – die Fischauktion
Drinnen, in der Llotja, der Auktionshalle, ist die Luft kühl und feucht. Auf einem Förderband gleiten Plastikkisten vorbei, gefüllt mit dem Fang des Tages: kleinere Weißfische, Tintenfisch, Meerbrassen und natürlich die berühmte rote Garnele. Auf einem Monitor leuchtet eine Zahl, sie zeigt den Preis pro Kilo an. Sie fällt, Sekunde für Sekunde. „Das ist eine rückwärts laufende Auktion“, erklärt Marc, während wir das Geschehen von der erhöhten Empore aus beobachten. „Der Preis beginnt hoch und sinkt, bis jemand zuschlägt. Das ist nötig, weil es um ein ultrafrisches Produkt geht. Wie man hier sagt: Jede Sekunde zählt, denn Frische ist Geld.“
Die Käufer stehen in Reihen. Einige von ihnen halten Fernbedienungen in den Händen, andere, die online zugeschaltet sind – heute sind es siebzehn Händler – warten auf ihren Moment. Ein Piepton ertönt und der Preis stoppt. Eine Nummer leuchtet auf – der Fisch hat seinen Abnehmer gefunden. Das Auktionsgeschehen läuft leise, präzise und schnell ab. Was bis zum Mindestpreis von 50 Cent pro Kilo keinen Abnehmer findet, geht zurück an die Fischer.
Marc deutet auf eine Kiste mit besonders großen, roten Garnelen. „Heute ist ein Tag mit geringem Fangvolumen, das bedeutet hohe Preise.“ Er erinnert sich an einen Spitzenwert von 275 Euro pro Kilo, den er hier kürzlich sah – ein klares Signal für die Exklusivität dieser Ware.


Der Fischmarkt von Palamós
Sobald die letzte Zahl auf dem Bildschirm erlischt, öffnet sich die Tür zum kleinen Markt nebenan. Es riecht nach frischem Fisch, nach Salz und Meer – klar und sauber wie der Atem des Hafens. Frauen in weißen Gummischürzen schieben Kisten über den nassen Boden, ordnen Garnelen, Meerbrassen und Sepien. Männer stapeln Styroporboxen; das Neonlicht spiegelt sich auf den silbrigen Schuppen. Hier landet, was eben noch auf den Booten war.
„Das ist der frischeste Fisch, den man kaufen kann“, schärmt Marc.
„Direkt vom Boot, ohne Umweg.“ Kunden stehen dicht an der Theke, vergleichen den Glanz und die Augen der Fische und nicken den Verkäuferinnen zu. Es gibt keinen Lärm und kein Feilschen, sondern nur den ruhigen Takt des Alltags.
Vor der Halle steht ein kleiner Grillstand. Eine Frau, die früher selbst Fischerin war, legt Sardinen auf die heiße Platte. Sofort steigt ein warmer Duft nach Meer und Rauch auf. Nebenbei bereitet sie ein Carpaccio aus roter Garnele zu: hauchdünn geschnitten, mit Limette, etwas Olivenöl und einer Spur kalter Garnelenbrühe. Es schmeckt zart und erfrischend, leicht salzig wie die Luft, die vom Hafen herüberzieht.
Wir setzen uns auf die niedrige Mauer direkt vor der Halle. Vor uns liegt der Blick auf die Boote, hinter uns ertönt das gedämpfte Treiben des Markts. Die Sonne wärmt unsere Haut, während Möwen über uns hinwegziehen. Marc hält eine Garnele in der Hand, ihr Rot leuchtet im Nachmittagslicht. „Manchmal“, sagt er leise, „ist das Meer nur eine Stunde alt.“





Ein Beruf im Wandel – Nachhaltigkeit vor dem Trend
Vor dreißig Jahren stand die Fischerei von Palamós am Rande des Zusammenbruchs. Die rote Garnele, das wichtigste Gut des Hafens, war fast verschwunden. „Wir mussten nachhaltig werden, bevor es modern wurde“, sagt Marc. Damals baten die Fischer die Universitäten und Meeresbiologen um Hilfe. Gemeinsam entwickelten sie neue Fangmethoden und einen Plan zum Schutz des Bestands. „Es war das erste Mal, dass Wissenschaft und Fischer wirklich zusammenarbeiteten“, sagt Marc. „Sie mussten – sonst hätte es keine Garnelen mehr gegeben.“
Im Museu de la Pesca de Palamós zeigt Marc uns ein Modell. Die hier angewandte Schleppnetztechnik, Dragline genannt, die das Meer sonst so stark belastet, wurde verändert. Die traditionellen Netztüren wurden modifiziert: Sie sind nun V-förmig und so hydrodynamisch geformt, dass sie den Meeresboden nicht mehr berühren, sondern darüber hinweggleiten. Zudem wurden die Maschenweiten vergrößert, damit kleinere Fische entkommen können.
„Die Fischer hier haben freiwillig strengere Regeln eingeführt, als Brüssel verlangt“, erklärt Marc Avinyó.
„Wenn die Fischer von Palamós es besser machen, sollten sie nicht wie die anderen bestraft werden.“ Er klingt weder klagend noch stolz, sondern eher pragmatisch. Nachhaltigkeit ist für die Menschen hier in Palamós keine Floskel, sondern eine Überlebensstrategie. Heute arbeiten die Boote nach einem genauen Rotationsplan. Jedes Gebiet wird nur zeitweise befischt, dann folgt eine Ruhephase. Das Meer ist kein Ort unbegrenzter Fülle mehr, sondern ein Organismus, der Atempausen braucht.

Die rote Garnele von Palamós – kleine Königin der Tiefe
Wie ein Juwel liegt sie in der Museumsvitrine: Aristeus antennatus, auch bekannt als Gamba de Palamós. Die roten Garnelen sind das Herzstück und die Lebensader des Hafens. Rund 45 Prozent der Einnahmen stammen von ihnen. Die Königin der Tiefe ist leuchtend rot und leicht durchscheinend. Sie lebt tief unten in jenem Unterwasser-Canyon, in den kühles, nährstoffreiches Wasser aus dem weit entfernten Rhône-Fluss hinabströmt. „Nur unsere Boote dürfen dort fischen“, erklärt Marc und beschreibt damit die strikten Regeln. Er beschreibt den Lebenszyklus der Garnelen, der sie in Tiefen von über tausend Metern führt, bevor sie zum Laichen wieder in mittlere Tiefen aufsteigen. Die Tiere, die in den Netzen landen, sind in der Regel etwa vier Jahre alt und haben bereits mehrfach zur Reproduktion beigetragen.
Sie sind vier Jahre alt, wenn sie gefangen werden. Sie haben mehrfach gelaicht, bevor sie in den Netzen landen. „Wenn man den Kopf aussaugt, isst man eigentlich Kaviar“, sagt Marc halb im Scherz, halb ernst. Im Sommer, zur Reproduktionszeit, sind sie am aromatischsten – dann schmecken sie nach Salz, Sonne und Meerestiefe zugleich.
Fischer erzählen, dass selbst Piniennadeln, die vom Tramontana-Wind aus den Küstenwäldern ins Meer getragen werden, den Garnelen ihr Aroma geben. „Wissenschaftlich ist das nicht bewiesen“, sagt Marc lächelnd, „aber die Theorie gefällt mir.“


Espai del Peix – Das Meer im Kochtopf
Nur wenige Schritte vom Museum und von der Auktionshalle entfernt liegt der lichtdurchflutete Raum des Espai del Peix (Raum des Fisches). Von hier aus reicht der Blick über das Hafenbecken, wo die Fischer ihre Taue versorgen. An den Wänden sind Rezepte, Fotos und einfache Fischereigeräte ausgestellt. Hier wird das Produkt Fisch unmittelbar in die Küche und anschließend auf den Teller gebracht.
An der Wand steht in katalanischer Schrift: „La cuina és tot el paisatge dins d’una cassola” – „Die Küche ist die Landschaft, eingefangen in einem Topf”. Es ist eine präzise Formel, die die lokale kulinarische Philosophie einfängt.
Marc lehnt am Fenster und blickt hinaus aufs Meer. „Ein Museum kann stagnieren“, sagt er. „Das Espai del Peix hat ihm Leben eingehaucht, weil es Tradition und Geschmack verbindet.“ Zwischen Herd und Hafen schließt sich hier der Kreis: Hier wird gekocht, was draußen gefangen wird – so wird das Museum zu einer kleinen Schule für Geschmack und Geduld. Events sollte man hier weit im Voraus buchen, denn auch die vielen Kochschulen und Masterclasses sind sehr beliebt.




Das Museum am Kai – Geschichte, die weiterlebt
Zum Abschluss steht das Museu de la Pesca auf dem Programm, das sich in einem alten Lagerhaus direkt am Kai befindet. Hier steht nicht eine große Sammlung von Artefakten im Mittelpunkt, sondern eine klare Erzählung: Wer, was, warum und wie wird gefischt?
Im Inneren zeigen Modelle die Unterwassertopografie und erklären die verschiedenen Fangmethoden. Marc zeigt auf die San Juan, ein über hundert Jahre altes Boot, das als Anschauungsobjekt dient. In einem ruhigen Bereich laden kleine Bänke zum Sitzen ein. Aus den Kopfhörern sind Stimmen von Fischern und ihren Frauen zu hören. Hier sind Stunden von Audio-Interviews als wichtiges immaterielles Archiv gesammelt. Sie erzählen von Stürmen, nassem Tauwerk und dem Warten.
In einem Glaskasten liegt das Netz der „armen Leute“. Dabei handelte es sich um eine historische Technik, bei der Dorfbewohner halfen, den Fang einzuholen, und dafür eine Mahlzeit erhielten. Marc nickt. „Das war kein romantischer Beruf. Es war Überleben.“ Er erzählt von seinem Großvater, der erst nach dem Bürgerkrieg fischte, um die Familie zu ernähren, und sofort aufhörte, als es Lebensmittel im Supermarkt gab
Marc blickt auf die Ausstellungsstücke der alten Fischereimethoden. „Ich fische selbst nicht“, sagt er. „Aber ich erzähle die Geschichten derer, die es tun.“ Er ist der Vermittler zwischen einer harten Tradition und einer modernen Welt, die beide braucht. Fang und Wissen.
Draußen zieht der Wind über die Masten und für einen Moment scheint alles verbunden: das Meer, die Stimmen, das Museum und die rote Garnele von Palamós.




Infobox: Museu de la Pesca de Palamós
Adresse:
Museu de la Pesca, Moll Pesquer s/n, 17230 Palamós, Katalonien, Spanien
Öffnungszeiten:
Juli–August: täglich 10–14 Uhr & 16–21 Uhr
Rest des Jahres: Mo–Fr 10–13:30 & 15–19 Uhr, Sa/So 10–14 & 16–19 Uhr
(Oktober–April montags geschlossen, bitte genaue Öffnungszeiten jeweils von der Webseite nehmen)
Eintritt: 5 €, ermäßigt 2,50 €
Website: www.museudelapesca.org
FAQ: Ein kleiner Leitfaden durch Hafen, Auktion und Museum
Weitere Fotos zum Hafen von Palamós
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