Kulinarik statt Kitsch, kleine Schiffe statt Megaliner: Oceania Cruises setzt bewusst auf Understatement. Zwischen Premium und Ultra-Luxury positioniert sich die Reederei neu im deutschsprachigen Markt. Ein Gespräch über Genuss, Design und die Frage, was Luxusreisen heute wirklich ausmacht.
Maik A. Schlüter kennt den Kreuzfahrtmarkt im deutschsprachigen Raum seit vielen Jahren. In seiner Position als Director Business Development D-A-CH bei Oceania Cruises weiß er genau, wonach sich Gäste wirklich sehnen. In einer Branche, die oft mit Superlativen glänzt – größere Schiffe, opulente Shows –, geht Oceania einen anderen Weg. Einen, dessen Fokus nicht auf Show, sondern auf authentische Erlebnisse liegt.
Luxus neu gedacht
Frage: Maik, viele Reedereien werben mit Größe, Shows und Entertainment. Oceania setzt hingegen auf Zurückhaltung und Intimität. Wie würdest du den Kern deines Luxusverständnisses in wenigen Sätzen beschreiben?
Maik: „Wir sehen uns als echte Kreuzfahrtreederei. Unsere Gäste wollen die Welt erleben und nutzen das Schiff als luxuriöses Fortbewegungsmittel. Für uns ist es ein Unterschied, ob jemand Urlaub macht – mit Entertainment, Shows und ständiger Animation – oder ob er eine Kreuzfahrt unternimmt, bei der das Schiff das Mittel ist, um die Welt kennenzulernen. Unsere Gäste wählen den zweiten Weg. Der wahre Luxus liegt darin, Zeit intensiv zu verbringen, Kulturen kennenzulernen und Eindrücke mitzunehmen, die bleiben. Ich erinnere mich an einen Tag auf Menorca, als wir eine Schäferfamilie besuchten. Wir sahen ihren Alltag, wie die Kinder mittags von der Schule heimkamen und der Vater die Tiere versorgte. Solche authentischen Begegnungen erzählt man weiter – und sie sagen viel mehr über Luxus aus als jede Show an Bord.

Kleine Schiffe, große Nähe – die Flottenstruktur von Oceania Cruises
Frage: Oceania betreibt verschiedene Schiffsklassen – von der Regatta- bis zur neuen Sonata-Klasse. Was unterscheidet sie und warum ist diese Vielfalt wichtig?
Maik: „Eigentlich unterscheiden sich unsere Schiffe nur in der Größe, nicht in der Qualität. Die Regatta-Klasse mit rund 640 Gästen fährt oft sehr lange Routen, zum Beispiel nach Australien oder Neuseeland, oder gleich mehrere Wochen durch Asien. Die Marina, die Riviera, die Vista und die Allura sind mit etwa 1.200 Gästen doppelt so groß, aber immer noch klein genug, um direkt ins Zentrum von Städten wie Bordeaux zu fahren. Die neue Sonata-Klasse wird daran nichts ändern. Boutique-Format, aber mit neuen Ideen. Wichtig ist, dass der Gast nicht das Schiff, sondern die Route wählt – überall mit derselben Handschrift, demselben Service.“
Frage: Welche Rückmeldungen bekommst du gerade aus dem deutschsprachigen Raum zu dieser Schiffsgröße?
Maik: „Viele Gäste sagen: Es fühlt sich nie überfüllt an. Selbst wenn alle Kabinen belegt sind, findet man immer einen Platz am Pool, im Restaurant oder in der Lounge. Auch bei Landausflügen heißt es nicht warten, sondern losfahren. Diese Großzügigkeit spürt man. Man merkt also in allen Bereichen, dass es um Großzügigkeit geht – Platz an Bord, unkomplizierte Abläufe und entspannte Atmosphäre. Die durchschnittliche Reisedauer liegt bei 19 Tagen. Das zeigt: Unsere Gäste gönnen sich Zeit – und Zeit ist der vielleicht größte Luxus.“
Kulinarik als Kompass der Reise
Frage: Oceania wirbt mit „The Finest Cuisine at Sea“. Viele Reedereien versprechen gutes Essen – was macht eure Kulinarik wirklich anders?
Maik: „Kulinarik ist bei uns kein Werbeslogan, sondern unsere DNA. Von Anfang an hat Jacques Pépin geprägt, dass wir lieber auf frische Produkte setzen als auf Routine. Wir kaufen in den Häfen ein, wir betreiben eigene Rinder- und Hummerfarmen und sogar eine Mühle, die ausschließlich unser Mehl mahlt. Wir wissen genau, woher unser Fleisch kommt. Auf zehn Gäste kommt ein Koch – das ist einzigartig. Rund die Hälfte der Crew arbeitet in Küche, Service und Bar. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Unsere Gerichte munden nicht nur fantastisch, sondern wecken auch Erinnerungen.“
Frage: Wie wichtig ist für dich die Verbindung von Kulinarik und Authentizität?
Maik: „Essen ist für uns nicht nur Bordverpflegung, sondern Teil des Reiseerlebnisses. In Barcelona gehen wir mit den Gästen auf den Markt und kaufen frische Tomaten, Kräuter und Gewürze. Abends kochen wir damit zusammen. Diese Authentizität ist uns wichtig. Unsere Gäste sollen die Aromen einer Region wirklich erleben. Das unterscheidet uns auch von klassischen Bordbuffets.“
Frage: Alle Spezialitätenrestaurants sind inklusive. Warum dieser Ansatz?
Maik: „Weil Essen für uns keine Nebenrolle ist. Niemand soll überlegen müssen, ob er heute lieber ins Steakhouse, ins französische Restaurant oder ins Red Ginger geht. Alles ist Teil der Reise. Das Frühstück auf der Kabine, der Espresso in der Lounge, das Finedining am Abend – Kulinarik begleitet uns den ganzen Tag. Und genau das ist für unsere Gäste der Inbegriff von Luxus.“

Fotocredits Oceania Cruises


Understatement im Design – Studio DADO & die Ästhetik der Flotte
Frage: Studio DADO hat Vista und Allura gestaltet und die Regatta-Schiffe modernisiert. Was verbindet alle Schiffe im Design?
Maik: „Es ist der rote Faden der Eleganz ohne Bling-Bling. Unsere Schiffe wirken heute hell, modern und großzügig. Bodentiefe Fenster holen das Meer ins Innere und das Licht bestimmt die Atmosphäre. Gäste sollen sich fühlen wie in einem Boutique-Hotel, nicht wie in einem Palast. Wir möchten, dass sie ankommen und sagen: Hier fühle ich mich sofort wohl.“
Frage: Was bedeutet für dich „Redefined Luxury“ im Designalltag?
Maik: „Ein Beispiel: Auf der Allura gibt es keine Innenkabinen mehr. Jeder Gast hat einen Balkon, denn wir sind überzeugt, dass Luxus bedeutet, morgens mit einem Kaffee die Einfahrt nach Athen oder Neapel zu erleben. Raum, Licht, Weite – das ist der neue Luxus. Kein Prunk, sondern eine Atmosphäre, die einlädt, länger zu bleiben.“
Position im Markt – Upper Premium mit Luxusanspruch
Frage: Oceania gilt als „Zwischen-Kategorie“: mehr als Premium, aber zugänglicher als Ultra-Luxury. Wie erklärst du diese Position einem deutschen Gast?
Maik: „Unsere Ausstattung ist eindeutig luxuriös: Marmorbäder, edle Materialien, Kunstwerke an Bord. Aber die Atmosphäre bleibt entspannt. Die Gäste begegnen sich mit Vornamen, nicht mit Titeln. Viele sagen: ‚Es ist wie nach Hause kommen, nur besser.‘ Wir stehen für Understatement. Unsere Gäste genießen Luxus, ohne ihn vor sich herzutragen. Das macht den Unterschied.“
Frage: Wie wirkt sich dieses Konzept auf das Preis-Leistungs-Verhältnis aus?
Maik: Am Ende zeigt sich, dass wir preislich oft nicht über Premium liegen. Denn vieles ist inklusive: Spezialitätenrestaurants, Softdrinks, Trinkgelder, Transfers. Was anderswo die Rechnung in die Höhe treibt, ist bei uns Teil des Pakets. Unsere Gäste schätzen die Transparenz: keine versteckten Kosten, kein ständiges Aufschlagen. Sie wissen: Alles Wesentliche ist schon da.“
Frage: Wer ist der typische Gast bei Oceania?
Maik: „Unsere Gäste sind reiseerfahren, zwischen 50 und 70, aber immer neugierig. Sie suchen keine Poolpartys, sondern Inhalte. Viele von ihnen waren schon in aller Welt unterwegs, wollen nun aber intensiver reisen. Sie genießen die Mischung aus internationalem Publikum und deutschsprachiger Betreuung, die wir anbieten. Für sie zählt, dass sie Teil des Ganzen sind – nicht abgeschottet in einer Blase, sondern mittendrin im internationalen Austausch.“

Luxusreisen heute – eine Frage der Definition?
Frage: „Luxus bedeutet heute weniger Prunk und mehr Zeit und Intimität. Stimmst du zu?
Maik: „Absolut. Luxus bedeutet heute, Zeit zu haben – für sich selbst, für Begegnungen, für Kreativität. Im Atelier Artist Loft stehen viele Gäste, die seit ihrer Kindheit zum ersten Mal wieder mit einem Pinsel malen. Andere lernen im Culinary Center, ein Gericht von Grund auf zu kochen. Solche Momente machen eine Reise wertvoll. Dazu kommt die Internationalität: Bei uns reisen 40 bis 60 Nationalitäten gleichzeitig. Beim Abendessen sitzt man neben einem Kanadier und beim Kochkurs neben einem Australier. Dieses Miteinander ist gelebter Luxus. Es zeigt, dass Reisen verbindet und Horizonte öffnet.“
Frage: Viele sprechen davon, dass sich der Begriff von Luxus gerade stark verändert. Ist das für dich eine vorübergehende Mode oder eine dauerhafte Entwicklung?
Maik: „Ja, das ist kein vorübergehender Trend. Früher wollte man das größte Hotel oder das auffälligste Restaurant. Heute suchen Gäste Tiefe. Sie wollen bewusst erleben. Ein gutes Beispiel: Eine einfache Currywurst kann ein Highlight sein, wenn sie handwerklich gut gemacht ist und im richtigen Moment serviert wird. Dieses Bewusstsein für Qualität und Authentizität prägt den neuen Luxus.“
Wohin geht die Reise bei Oceania Cruises?
Frage: Mit der Sonata-Klasse ab 2027 geht Oceania Cruises einen Schritt weiter. Was dürfen Gäste erwarten?
Maik: „Die Sonata wird im Boutique-Format bleiben, aber wir werden neue kulinarische Konzepte einführen. Vor allem wollen wir noch mehr Zeit in Häfen verbringen. Statt nur sechs Stunden in Singapur zu sein, bleiben wir zwei Tage. Auch drei Nächte in Athen sind möglich. So erleben unsere Gäste die Städte in ihrer ganzen Tiefe. Weltreisen von sechs bis acht Monaten sind bei uns keine Ausnahme – und für viele die Erfüllung eines Lebenstraums.“
Frage: Nachhaltigkeit spielt eine immer größere Rolle. Wie geht Oceania damit um?
Maik: „Nachhaltigkeit wird oft nur auf den Antrieb reduziert. Für uns geht es aber weiter: Wir fahren mit schwefelarmem Marinediesel und nicht mit Flüssiggas. LNG klingt zwar modern, ist aber ebenfalls ein fossiler Brennstoff. Wenn man sieht, wie Tanker aus Rotterdam Schiffe im Mittelmeer versorgen, merkt man schnell, wie wenig nachhaltig das ist. Wichtiger ist, wie wir an Bord arbeiten: Wir bieten Buffets in kleinen Mengen, frische Zubereitung und produzieren kaum Food Waste. Wir produzieren unser Mineralwasser selbst und unsere Gäste erhalten eine wiederverwendbare Flasche. Recycling gehört ebenso dazu wie unsere Go-Green-Ausflüge, bei denen wir auf umweltfreundliche Transportmittel achten. Nachhaltigkeit beginnt im Detail.“
Frage: Wo siehst du Oceania in fünf bis zehn Jahren?
Maik: „Wir werden unserer Linie treu bleiben: kleine Schiffe, Kulinarik im Zentrum, Reisen mit Substanz. Wir wollen Mut zeigen und Destinationen wieder aufnehmen, sobald es möglich ist – Orte, die unsere Gäste wirklich erleben wollen. Oceania wird die Reederei bleiben, die für Reisen steht, die tiefer gehen – nicht oberflächliche Routen, sondern Erlebnisse, die man weitererzählt. Wir wollen auch in zehn Jahren die Reederei sein, die Reisende mit authentischen Erfahrungen bereichert, die weit über die Kreuzfahrt hinauswirken.“
Auf den Punkt gebracht
Frage: Stell dir vor, ein deutscher Gast bittet dich um eine kurze Antwort: Warum sollte er sich für Oceania entscheiden?
Maik: „Wenn du aufgeschlossen und neugierig reist, nimmst du mit Oceania Erfahrungen mit nach Hause, die dir kein anderes Schiff bietet. Das ist für mich der Inbegriff von Luxus: Erinnerungen, die bleiben.“

Maik A. Schlüter, Director Business Development D-A-CH bei Oceania Cruises; Fotocredits Oceania Cruises