Die Auvergne in Frankreich ist ein noch unentdeckter Schatz, touristisch nicht überlaufen und ein Mekka für Individualreisende – und das nicht nur für Wanderer. In der Auvergne, mitten im Herzen Frankreichs, wird Ursprünglichkeit gelebt. An meinem dritten Tag auf meinem Roadtrip durch die Auvergne nehme ich Euch mit an Orte, die ich sofort in mein Herz geschlossen habe. Dafür geht es in die höchste Bergwelt und Vulkanketten der Auvergne:
- Besse-et-Saint-Anastaise – Wo man heute noch das Mittelalter spürt
- Picknick in den Bergwelten des Massif du Sancy
- Le Mont Dore: Skigebiet mit heißen Quellen
- Puy de Sancy: Der Gipfelpunkt im Massif Central
- Übernachtungstipp: In den Volca’lodges im Herzen der Vulkane außergewöhnlich übernachten
Besse-et-Saint-Anastaise – Wo man heute noch das Mittelalter spürt
Es gibt Orte, in die verliebt man sich in der ersten Sekunde. So ging es mir gestern mit Égliseneuve-près-Billom und Monperoux. Als ich denke, das ist nicht zu toppen, stolpere ich im Sancy-Massif, mitten im Herzen des Regionalen Naturparks der Vulkane der Auvergne, auf 1.000 Meter Höhe ins Mittelalter. Ich biege um die Kurve der alten Kirche und stehe in einem kleinen Ort, der sich seine mittelalterliche Bebauung vollständig bewahrt hat: Besse-et-Saint-Anastaise ist etwas ganz Besonderes. Alle Häuser sind dunkel und aus Lavasteinen gebaut. Bordeauxrote Fensterläden verleihen den Steinbauten eine edle Note. Die Häuser stammen alle aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Überall sind kleine Wappen und Figuren in den Häuserfassaden eingelassen und zeugen vom Reichtum der einstigen Besitzer. Im Mittelalter war Besse-et-Saint-Anastaise eine florierende Handelsstadt.
Es ist nicht zu überlaufen, nicht zu touristisch. Verträumt wandle ich durch die alten Gassen auf altem Kopfsteinpflaster. Das Mittelalter spürt man bei jedem Schritt in dem malerischen Ort. Die ehrwürdigen Mauern stammen alle aus dem regionalem Vulkanstein. Ich entdecke etliche urige Restaurants, entscheide mich aber für einen Besuch der örtlichen Fromagerie und kaufe für ein Picknick den leckeren Saint-Nectaire-Käse und frisches Baguette.
Die Auvergne überrascht mich immer wieder. Alle paar Kilometer weiter präsentieren sich neue Landschaften. Vor wenigen Kilometern war ich noch in der toskanischen Auvergne mit seinen Weiten und Hügellandschaften, stehe ich nun in einem schnuckeligen Bergdorf und genieße alpine Luft. Leider hat das Café für einen Zwischenstopp mit einem leckeren Café au Lait geschlossen, so dass ich mit meinen Einkäufen für ein Picknick weiterfahre.
Picknick in den Bergwelten des Massif du Sancy
Beim Ortsausgang tauche ich Richtung Mont Dore wieder in die Bergwelten der Auvergne ein. Mitte Mai und es liegt vereinzelt noch Schnee auf den entfernten Gipfeln. Es ist allerdings wärmer, als es auf den Fotos mit dem Schnee und den Wolken aussieht. Es macht Spaß, die kurvenreiche Strecke zu fahren. Ich parke auf einen Wanderparkplatz und drehe eine kleine Runde in der schönen Natur. Die Bergwelten sind anders als gewohnt. Mitten auf den Bergweiden liegen riesige Vulkangesteine.
Die Natur um mich herum ist wunderschön, die Luft klar und mit 20 Grad sehr angenehm. Starre ich sonst liebend gern aufs Meer hinaus, so fasziniert mich die Region des Massif du Sancy. Ich bin allein, setze mich auf eine Bank und lasse die Natur auf mich wirken. Es ist herrlich! Ich stelle mir vor, mit welcher Kraft vor tausenden von Jahren das Lavageröll hier gelandet sein muss. Alles ist hier gigantisch groß, kein Vergleich zur Eifel. In der Auvergne spürt man die einstigen Naturgewalten intensiv. Ich genieße die Ruhe für mich alleine und packe mein Picknick aus. Zu gern hätte ich einen guten französischen Wein zu meinen Köstlichkeiten schnabuliert, aber don’t drink and drive und mein Wasser muss reichen.
Plötzlich fühle ich mich beobachtet. So alleine bin ich wohl doch nicht. Bei dem Gesichtsausdruck der Kühe fragt sich, wer hier wen beobachtet. Nach leckerer Pause und Naturgenuss der Extraklasse mache ich mich wieder auf den Weg nach Mont Dore und fahre weiter in die Region des Puy de Sancy.
Le Mont Dore: Skigebiet mit heißen Quellen
Aus der Abgeschiedenheit der Bergwelt kommt mir Le Mont Dore fast wie eine Großstadt vor, so quirlig und lebendig wirkt der Ort auf mich. Unterhalb des höchsten Berges der Auvergne – dem Puy de Sancy (1.885) – liegt im Tal der Ort Le Mont Dore und erstreckt sich am Fluß Dordogne. Bergriesen umranden den Ort. Wie in Besse-et-Saint-Anastaise dominieren in dem Ort Häuser aus schwarzem Lavagestein. Das besondere an Le Mont Dore: Es ist ein Höhenluftkurort mit eigenen Quellen und Thermalbad. Die Thermes du Mont Dore stammen aus dem Jahr 1817 und müssen im sehr gediegnem Stil umgesetzt sein. Ein Wellness-Stop soll sich lohnen. Bereits die Kelten und Römer kannten die Quellen und ihre heilende Wirkung. Ich bewundere bei meinem Dorfspaziergang das Thermalbad nur von außen und flaniere durch die Straßen. Vieles hat in Le Mont Dore die Anmutung eines Skiortes. Im Winter ist die Region ein Mekka für Skiliebhaber. Im Sommer ist der Ort bei Thermalliebhabern begehrt.
Puy de Sancy: Der Gipfelpunkt im Massif Central
Während ich durch den Ort streife, verschlechtert sich das Wetter. Es wird nebliger. Dennoch möchte ich heute unbedingt auf den Puy de Sancy fahren. Man hätte natürlich auch wandern können – aber Ihr kennt mich! Ich parke unter der Skistation unter dem Puy de Sancy ein und laufe flott zur Seilbahn. Bei den vielen schönen Orten vorher habe ich ein wenig die Zeit aus dem Blick verloren. Es ist Sommer, aber es riecht nach Schnee. Leider nimmt der Nebel auch immer mehr zu. Ob ich über den Nebel vom Gipfelpunkt hinweg schauen kann, bleibt abzuwarten.
Die Gondel schaukelt in die Talstation. Wir können einsteigen und genießen mit einem Betreuer die rasante Fahrt nach oben. Puy de Sancy ist der Gipfelpunkt des Zentralmassivs. Hier überlappen sich mehreren Vulkane bzw. deren Ausbrüche. 5 Millionen Jahre ist der Berg alt. Vor ca. 250.000 Jahren gab es den letzten aktiven Ausbruch. Die vulkanischen Aktivitäten in der Region sind Grund für den Artenreichtum an Flora und Fauna. Nach 20 Minuten stoppt die Seilbahn. Wir sind rund 1.800 Meter hoch. Reichte im Tal noch ein Strickjäckchen, so ziehe ich auf der Bergstation die Jacke um mich enger. Eine frische Brise weht auf dem Bergriesen. Eine dickere Jacke wäre definitiv sinnvoll gewesen.
Der Nebel zieht sich weiter zu. Innerhalb weniger Augenblicke ist die Holzstiege um mich herum im Nebel eingetaucht. Ich sehe rein gar nichts, oder anders: Sichtweite 10 Meter und alles um mich herum ist milchig weiß. Noch bin ich mutig, halte die Holzstiegen im Blick und gehe langsam weiter Richtung Gipfelkreuz. Knapp eine halbe Stunde soll der Weg dauern. Die 50 Meter Höhenunterschied möchte ich schaffen. Der Wind dreht auf. In den Bergen kann es mit dem Wetterwechsel sehr schnell gehen. Alleine auf dem Holzweg – im wahrsten Sinne des Wortes – wird mir etwas mulmig. Ich höre Schritte, dumpf aus dem Nebelschwaden vor mir. Ein Pärchen rät mir umzudrehen. Sie waren oben beim Kreuz, konnten aber rein gar nichts erkennen. Ich bin enttäuscht. Gern hätte ich den Blick über die Täler in den nationalen Naturschutzgebieten von Chaudefour und Chastreix-Sancy gesehen und fotografiert. Bei guter Sicht kann man weit über die Grenzen der Auvergne schauen. Mit ein Grund, warum in den dreißiger Jahren hier eine der ersten Seilbahnen Frankreichs gebaut wurde. Aber es nützt nichts. Ich drehe um. Die Auvergne hat mich als Urlaubsland sowieso so begeistert, dass ich noch einmal wieder kommen werde.
Einige Meter tiefer vor der Bergstation lichtet sich der Nebel. Weitere Ausflügler sammeln sich vor dem Eingang zur Seilbahn. Ich laufe auf dem Plateau vor Abfahrt und schieße von hier aus meine Fotos. Die Bergkette mit den rasanten Bergkämmen und Geröllfeldern hat etwas. Es ist kein Gipfelkreuz und kein gigantischer Ausblick wie auf den Volvicflaschen – dennoch begeistert mich der Ausflug.
Übernachtungstipp: In den Volca’lodges im Herzen der Vulkane außergewöhnlich übernachten
„Naturunterkunft“ lässt eigentlich mein Herz nicht höher schlagen. Ich gebe zu: Ich bin in dem Alter, wo ich Hotels und B&Bs mit gewissem Standard bevorzuge. Die Aussicht heute in einer Holzhütte mit Selbstverpflegung zu übernachten, schraubte meine Erwartungen und Vorfreude herunter. Als ich dann in das Areal von Volca’lodges des Tournebise einbiege, bin ich schlichtweg begeistert. Gemütlich aussehende Holzhäuser zieren die Landschaft. Farbtupfer in Form von Gartenmöbeln und Blumenkübeln stimmen den Ort auch bei Regenwetter froh.
Inmitten der Vulkanlandschaft in Saint Pierre Le Chastel befindet sich die außergewöhnliche Übernachtungsmöglichkeit. Inhaber Lionel Tixier hat sich damit einen Traum erfüllt. Alle Holzhäuser sind selbst gebaut und vorher in seinem Kopf entstanden. Es gibt die Häuser in unterschiedlichen Größen und Ausstattungen. Viele haben einen Jacuzzi vor der Tür. Holzhütte muss also nicht bedeuten, dass man auf Luxus verzichten muss.
Mich führt Lionel zu einem Steinhaus. Aus altem, schwarzem Vulkanstein erbaut diente es viele Jahre lang als Backhaus und Bäckerei. Das Haus bietet Komfort auf zwei Ebenen. Innen ist alles mit Holz eingerichtet. Das Hochbett lockt mit einer äußerst bequemen Matratze. Das Highlight wartet gleich nebenan auf mich: Ein extra großes Jacuzzi ganz für mich alleine! Das ich dieses besondere Bad am Abend ausprobieren muss war klar, oder? So läuft die Wanne mit heißem Wasser voll, während ich es mir in ihr bequem mache. Eine moderne Bedienung habe ich nicht verstanden, aber die Knöpfe kann man ja alle drücken. So sprudelt es angenehm, Wasserdüsen massieren mich und Leuchten bringen ein buntes Farbspiel für mich zum Besten. Zur Krönung meines Verwöhnprogramms schaue ich aus dem Fenster und blicke auf die Vulkanlandschaft. Die Franzosen wissen zu leben!
Damit aber nicht genug. Mit dem ausgefallenen Bad und Aussicht auf das Bett hat die Volca’lodges des Tournebise mich schon längst für sich gewonnen. Ich laufe die Holztreppe hinunter. In der alten Backstube ist die Küche und Essecke untergebracht. Außerdem sind hier noch zwei weitere Schlafplätze und in einem extra Raum das WC. Mitten auf dem Esstisch steht ein Körbchen, welches mein Herz höher schlagen lässt: Picknickzeit! Lionel hat mir von seinem Küchenteam aus dem zugehörigen Restaurant Les Tables de Marceline ein köstliches Allerlei zusammenstellen lassen. Das Restaurant ist im ehemaligem Kuhstall untergebracht und hat heute leider Ruhetag. Ein „leider“ empfinde ich beim Anblick auf den Korb allerdings nicht. Der Wein aus der Auvergne schmeckt mit dem Käse zum Niederknien.
Der findige Bauherr hat schon sein nächstes Projekt im Visier. Oberhalb der Volca’lodges hat er ein Schloss gekauft, welches er gerade mit seinen Ideen umbaut. Fokus seiner Baumaßnahmen wird dieses Mal nicht Holz sondern Metall sein. Seine Augen funkeln, als er mir davon berichtet. Lionel ist Visionär und arbeitet ständig an neuen Ideen.
Übersichtskarte mit den einzelnen Stationen
Offenlegung: Meine Reise wurde unterstützt von Auvergne Tourismus und Atout France. Herzlichen Dank dafür. Meine Meinung im Blogbericht bleibt davon unbeeinflusst. Für den Post wurde ich nicht bezahlt. Danke allen – auch vor Ort – für die Zeit und Unterstützung. Meine Begeisterung kam von ganz alleine. Es waren für mich phantastische und wunderbare Erlebnisse.
Fantastische Bilder. Ich würde sofort die Thermen ausprobieren. Das find eich immer sehr entspannend in den Bergen! LG
schreiben sie bitte das nächste mal ich und nicht eich vielen dank
Das kann doch mal beim Tippen passieren ;-)
Du hast mich wieder mal begeistert von der Auvergne, die Übernachtung in der alten Bäckerei ist genial. Dieses Jahr hat es leider nicht mehr geklappt, aber plane die Region für 2018 fest ein. Hoffentlich mit ein paar Wanderungen.
Du wirst als „Wanderfrau“ von der Auvergne begeistert sein! Da bin ich mir sicher.
Und für Deine Planung: Es folgen noch zwei weitere Auvergne Artikel in den nächsten Wochen ;-)
Ich bin begeistert und könnte sofort losfahren. Welch schöne Tour!
Ich liebe Frankreich, war bisher aber auch eher an den Küsten anzutreffen. Das wird sich wohl bald einmal ändern.
Vielen Dank für den schönen Bericht!
Liebe Grüße
Kirsten aus Kiel
Das freut mich, danke für Deinen Kommentar. LG Tanja
Danke für den tollen Bericht, Tanja! Mich hat die Auvergne auch total in ihren Bann gezogen, allerdings habe ich sie im Hochsommer erlebt, wo sie wahrlich ein ganz anderes Gesicht zeigt. Spannend, wie sehr sich Landschaften mit den Jahreszeiten verändern. Eigentlich müsste man zu allen vier Jahreszeiten einmal hinfahren.
Viele liebe Grüße,
Nicole
Ich war dieses Jahr Mitte Mai dort. Aber wir hatten ja alle eigentlich keinen Frühling dieses Jahr. Man erzählte mir vor Ort, dass eigentlich die Natur dann schon etwas weiter wäre. Keine 2 Wochen später war eine Bekannte dort und bei ihr war alles grün und saftig.
LG Tanja
Was für eine schöne Reise! Ich hab mich in Frankreich neben Paris immer auf die Küste konzentriert. Aber ich sehe, auch das Landesinnere lohnt sich.
Die Blicke der Kühe sind großartig! :-)
Und Deine Unterkunft sah super aus!
Ich freu mich auf weitere Berichte!
Liebe Grüße!
Es folgt noch ein Gesamtartikel wo u.a. alle Unterkünfte noch mal dabei sind – die waren nämlich dort alle großartig :-)
Ich kann deine Begeisterung für Frankreich immer mehr nachvollziehen, liebe Tanja. Wieder einmal ein wunderschöner Post. Du schaffst es immer wieder, die Atmosphäre in Worte zu fassen.
Liebe Grüße, Heike
PS: ich hab mir am Samstag ein Buch über die Normandie gekauft. Du schaffst es noch, mich von meinem geliebten Großbritannien loszureißen.
Viel Spaß beim Lesen des Buches. Ein Artikel zur Normandie folgt ebenso bald hier im Blog ;-)
Die Auvergne hat viele schöne Orte, die Du ebenfalls lieben würdest.