Denkt man an Holland, hat man Tulpen, Holzschuhe, Windmühlen und Käse im Kopf. Als Kind gab es im Supermarkt bei uns meistens nur den klassischen Gouda-Käse und der traf ehrlich gesagt nicht meinen Geschmack. Anders waren damals allerdings unsere wöchentlichen Fahrten über die Grenze: Hier gab es eine Fülle von verschiedenen Käsesorten. Die Käseherstellung hat in unserem Nachbarland eine lange Tradition. In der Region Utrecht könnt Ihr Euch auf genussvolle Käse-Ausflüge begeben:
Inhaltsverzeichnis
Das Käselagerhaus
Es ist Anfang Mai. Der Wettergott meint es nicht gut mit mir. Der Himmel ist grau. Es regnet Bindfäden. Dankbar ergattere ich einen Parkplatz direkt vor dem Käselagerhaus in Woerden. Dass sich diese Parkplatzwahl nachher als suboptimal darstellt, weiß ich jetzt noch nicht. Ohne groß nass zu werden, betrete ich das Kaaspakhuis.
Das Haus an der Emmakade stammt ursprünglich aus den 1930er Jahren. Woerden gehört zur Region des Cheese Valley: Zwischen den Städten sorgen grasende Kühe auf Poldern für die Milch des „gelben Goldes“. Im Käselagerhaus kann man sich auf die Entstehungsgeschichte der modernen und historischen Käseherstellung begeben. Im Fokus stehen die Prozesse einer Käsefabrik, allerdings sind im Detail die einzelnen Reifungsschritte nicht viel anders als auf dem Bauernhof.
Wir nehmen Platz im unteren Teil des Hauses und starten die Führung mit einem kurzen Erklärfilm. Woerdens Lage am Fluss war sehr wertvoll: Schnell und vor allem steuerfrei konnte der Käse über diesen Weg transportiert werden. Umliegende Bauernhöfe bringen auch heute noch ihre Milch zur Käsegewinnung ins Käselagerhaus. Rund 1.000 Liter Milch benötigt man für einen Kilogramm Käse. Ein junger Käse reift mindestens vier Wochen bei täglicher Betreuung. 70 Tonnen Käse lagern im „Kaaspakhuis“. Die Laibe kann man im oberen Stockwerk bewundern.
Auch wenn im Käselagerhaus dem Besucher der Ablauf der Herstellung einer Käsefabrik näher gebracht werden soll, hat alles hier den Anschein einer herkömmlichen Produktion. Als Abschluss der Führung dürfen wir über VR-Brillen quasi live in eine Fabrik schauen. Wer möchte, kann wie ich seinen Besuch mit einer Kostprobe beenden oder sogar einen Workshop zur eigenen Käseherstellung buchen.
Käsemarkt in Woerden
Es hat aufgehört zu regnen, als ich das Kaaspakhuis verlasse. Bevor ich mich auf mache, den Käsemarkt von Woerden zu erkunden, winkt mich eine nette Niederländerin auf einem Hausboot zu sich und weist mich darauf hin, dass mein Parkplatz leider ein Privater sei. Da hab ich noch einmal Glück gehabt! Falsch parken kann in den Niederlanden teuer werden. Also steuere ich das nahe gelegene Parkhaus an. Leider kann ich es nur von außen betrachten. Es ist voll geworden in der kleinen alten Festungsstadt. Mein Besuch fällt ausgerechnet auf den Tag im Jahr, wo hier der erste Käsemarkt im ganzen Land startet. Das lockt viele Besucher und gefühlt jeden Einheimischen auf den Markt und die umliegenden Parkflächen. Ich versuche mein Glück, drehe Runden, aber gebe mich letztlich geschlagen.
Mein Tipp: Fahrt morgens direkt ins Parkhaus, das ist zu fortschreitender Zeit entspannter. Die Altstadt ist klein, fußläufig alles bestens zu erreichen. Den Käsemarkt muss ich mir für einen nächsten Besuch aufsparen. Er soll sich lohnen, ist seit 1410 als Bauernmarkt bekannt und wird jeden Samstag seit 1885 organisiert, dabei wird auf alte Tradition bei der Ausrichtung wert gelegt.
Gourmet-Käse vom Bauernhof
Von Woerden steuere ich Montfoort an. Das „Grüne Herz von Utrecht“ macht seinem Namen alle Ehre: Ich cruise an Wiesen und Weiden vorbei. Flüsse und kleine Teiche durchziehen die Landschaft. Idyllisch stehen in dieser zauberhaften Region immer wieder reetgedeckte Bauernhäuser. Dass weiter hinten wieder die nächste Regenfront aufzieht, lässt die Kühe auf den saftigen Wiesen beim Wiederkäuen herrlich unbeeindruckt.
Auf dem Käsebauernhof Doruvael werde ich bereits erwartet. Es ist ein besonderer Hof: Neben der Herstellung von außergewöhnlichen Käse-Delikatessen bietet man Menschen mit Behinderungen und Besonderheiten einen Arbeitsplatz an. Gemeinsam schaffen sie ein besonderes Kleinod vor den Toren Montfoorts.
Am Samstag bin ich allerdings alleine mit Jacco. Er zeigt mir den Familienhof mit Tradition, lässt mich hinter die Kulissen schauen. Bei den Kleintieren bleibe ich – wie sicher fast jeder Besucher – verzückt stehen. Das Kälbchen vor mir ist gerade mal einen Tag alt und schaut mich vorsichtig mit seinen großen, dunklen Kälbchenaugen an.
Wir laufen weiter zu den Kuhställen und ich bin überrascht, wie modern alles ist. Die Kühe können selbst entscheiden, ob sie draußen oder drinnen sein möchten. Der Stall ist beliebt, verrät mir Jacco. Später sehe ich warum: Man könnte ihn als kleine Wellnessfarm bezeichnen. In die Melkanlage können die Kühe selbst gehen, wann sie wollen. Milchdruck kennen sie daher nicht. Dabei gibt es Bürsten für Massagen und weiter hinten entdecke ich sogar Luftbetten.
Mit rund 100 Kühen werden pro Woche 300 Käselaibe hergestellt. In unterschiedlichen Lagern reifen verschiedenste Käse-Leckereien. Das Geheimnis seines berühmten Le-Petit-Doruvael-Käses entlocke ich Jacco nicht, lerne aber, dass der Rotkulturkäse besonders schonend und mit viel Liebe hergestellt wird. Im Hofladen seiner Schwester darf ich dieses Juwel kosten. Er schmeckt weich und köstlich zum Portwein. Er eignet sich gut als Dessert-Käse. Es gibt ihn als weitere Sortenvariante mit Trüffel. Beide Käse haben in Fachkreisen schon ordentlich Preise abgeräumt und werden gern von kreativen Köchen verwendet. Ich probiere noch einen alten Käse, sowie einen Käse mit italienischer Note durch Zugabe von frischen, italienischen Kräutern und sonnengetrockneten Tomaten.
Glücklicherweise ist es zu dieser Jahreszeit noch nicht so heiß und ich kann mich reichlich für zu Hause eindecken! Der Hofladen hat am Freitag und Samstag von 9 bis 16 Uhr geöffnet. Für kleines Geld erstehe ich meine Käselieblinge – erstaunlich, wie günstig das Einkaufen am Hof ist. Das nutzen auch viele Einheimische, die immer wieder zu einem Einkauf und Plausch während meiner Verkostung den Hofladen besuchen.
Wenn Ihr Interesse an einer Führung und Verkostung habt, schreibt eine Mail an info@doruvael-buitenzorg.nl. Auf Wunsch richtet die Familie auch ein Essen mit wunderbaren Käse-Gaumenfreuden im Grünen aus – in den Feldern zwischen den Kühen. Aber auch viele andere Wünsche für Euer persönliches Käseerlebnis können umgesetzt werden.
Wow, sehr ausführlich und gut beschrieben, danke!
Ich kaufe auch sehr gern auf dem Markt, auch wenn ich leider immer weniger Zeit habe :( Aber wenn ich mal da bin, da wird gleich der ganze Lohn da gelassen :P
Vielen Dank für den Beitrag zur Käseherstellung. Meine Tante ist verrückt nach Käse und kauft sogar Käse im Online-Shop. Gut zu wissen, dass man in Holland richtige Käse-Ausflüge machen kann und dabei viel über die Käseherstellung lernt. Interessant, dass man für einen Kilo Käse ungefähr 1000 Liter Milch benötigt.
Ein sehr schöner Bericht, liebe Tanja. Ich könnte jetzt sofort losfahren und Käse kaufen.
Aber im Gegensatz zu dir mag ich auch Gouda sehr gerne. Besonders den, den man bei unseren Nachbarn kaufen kann. Ich bilde mir immer ein, der schmeckt leckerer als der in Deutschland gekaufte.
Liebe Grüße, Heike
Danke Dir liebe Heike. Ich mag eher kräftigere Käsesorten – wobei ich Deine Meinung teile: Wenn Gouda, dann nur aus den Niederlanden direkt. Für mich schmeckt er auch besser als bei uns.