Frühling, endlich! Was gibt es Schöneres, bei angenehmen Temperaturen mit offenem Verdeck durch Tulpenfelder zu fahren? Meine Vorfreude wuchs. Petrus machte mir jedoch einen Strich durch die Rechnung. Meine Flevoland-Tour fiel ins Wasser. Es regnete ohne Pause. Der Wind fegte eisig über den Polder. Für Ende April war das Wetter ungemütlich. Die Cabriotour wurde zum Roadtrip, an ein offenes Verdeck war nicht zu denken. Aber bei allem grau-in-grau-Feeling passierte es doch: Blumenfelder verzauberten mich, bunte Blütenpracht streichelten meine wetter-gebeutelte Seele und ich habe spannende Dinge entdecken und genießen können!
- Flevoland – Wo einst die Nordsee war
- Tulpenroute Flevoland: Die längste Tulpenroute der Niederlande
- Das Tulpenerlebnisfeld
- De Kandelaar – Wissenswertes auf dem Bauernhof
- Kulinarisch: Im Flantuas Tulpen auf dem Teller erleben
- Tulpen selbst pflücken
- Genussvolles Ausflugsziel De Polderzoom: Von der Kuh zum Käse
- Was Ihr noch erleben könnt
Flevoland – Wo einst die Nordsee war
Aus dem Meer gewonnen kann man wörtlich nehmen. Vor erst 32 Jahren wurde die jüngste Provinz der Niederlande gegründet. Flevoland existierte vor 100 Jahren nicht. Wo ich heute mit dem Auto fahre war vor wenigen Jahren das Meer – eine komische Vorstellung. Durch Einpolderungen der ehemaligen Zuiderzee entstand das heutige Flevoland. Es liegt sechs Meter unter dem Meeresspiegel und ist mit dem größten Eindeichungsprojekt aller Zeiten zum größten Polder der Welt geworden!
Flevoland ist anders als der Rest der Niederlande und genau hier kann man sich auf eine spannende Entdeckungsreise begeben, um die europäischen Nachbarn zu verstehen. In Urk und Schokland habe ich viel über Sturmfluten und das Leben am Wasser erfahren. Flevoland ist fast vollständig von Menschenhand erschaffen worden und dennoch ein Naturparadies. Spannende Architektur und Kunst bietet die frische Provinz. Die Region vor dem IJsselmeer ist das größte Blumenzwiebelgebiet von Holland. Straßen sind geplant und haben sich nicht über Jahrhunderte entwickelt. Daher sind die Straßen eher gerade, dennoch eignet sich Flevoland für einen schönen Roadtrip.
Tulpenroute Flevoland: Die längste Tulpenroute der Niederlande
Die Tulpenroute Flevoland könnt Ihr zu Fuß, mit dem Rad, mit dem Pferd, Motorrad oder mit dem Auto erkunden. Es gibt verschiedene Strecken, die nach Wunsch angepasst werden können. In diesem Jahr war Mitte April bis Mitte Mai eine gute Reisezeit. Die Touren ändern sich im Detail jährlich, da nicht jedes Jahr aus gleichem Feld wieder erneut Tulpen angepflanzt werden können. Die Auto-Rundtour ist circa 120 Kilometer lang und kann von jedem Punkt aus gestartet werden. (Hier Karte als PDF downloaden.) Meine Tour habe ich an die unten aufgeführte Karte angepasst. Ich starte nicht erst auf dem Noordoostpolder sondern beziehe die Regionen Dronten und Leylstad mit ein. Diese Autorouten und weitere Ausflugstipps findet Ihr hier.
Auf dem einstigen Meeresboden führt die Strecke durch schöne Naturreservate und Agrarland, welches als das Fruchtbarste in Europa gilt. Vor allem aber: Entdecke ich überall ein Blütenmeer! Ich halte an einer Kreuzung an. Bei diesem Wetter sind nur vereinzelt Tulpen-Pilgerer unterwegs. Allerdings soll auch zur Saison und schönem Sonnenschein die Route angenehm leer sein. Auf mein Stoffverdeck tröpfelt der Regen. Das hat etwas von Zeltfeeling aus Kindheitstagen. Ich fahre rechts ran und genieße den Anblick. Während weiter hinten die Windräder sich drehen und leicht im Nieselregen versinken leuchten vor mir breite Streifen in bunten Farben auf. Rot, gelb, orange, lila – ein herrlicher Anblick. Teilweise bis zum Horizont erstrecken sich gigantische Tulpenfelder. 2.000 Sorten blühen jedes Jahr auf Flevoland und erfreuen das Herz eines jeden Tulpenfans.
Das Tulpenerlebnisfeld
Das Tulpenerlebnisfeld in Creil ist ein gern frequentierter Punkt auf der Tulpenroute. Mitten auf dem Feld werden Tulpenerlebnisse geschaffen. Jedes Jahr zur Saison wird dieses Ausflugsziel erneut eröffnet. Hier findet man sie alle: gefranst, gefüllt, gezackt – in uni oder prachtvoll in bunt. 500 verschiedene Sorten erblühen in Creil in einer Fülle von Farben und Formen. Weiter hinten auf dem Feld erblicke ich sie, eine wunderschöne Abhebung vom Regengrau in purpurrot, orange, lila, sonnengelb oder auch mal in weiß.
Eingeparkt höre ich das Pladdern des Regens auf dem Stoffdach. Ich gebe es zu: Ich bin eine Memme. Schaue auf meine Schuhe, dann wieder auf die Felder. Will ich wirklich im Regen die Tulpen aus der Nähe sehen und fotografieren? Will ich in dem vom Regen getränkten Matsch versinken? Es gibt ein Zelt, welches vor Regen schützt, aber da sehe ich auch keine Tulpen. Etwas trostlos steht das Kinderkarussell bei dem Wetter still. Während ich überlege, ob ich aussteigen möchte, parkt ein Bus vor mir ein und entlässt seine Gäste, die auf das Gelände strömen. Damit habe ich mich entschieden und fahre zum nächsten Punkt. Bei schönem Wetter ist das Tulpenerlebnisfeld sicher grandios für groß und klein.
Ein paar Meter weiter entdecke ich das Tulpeninformationsfeld – auch hier blühen Tulpen malerisch. Es ist leer, ich steige aus und schieße ein paar Fotos – wunderschön! Da ist der Regen bald vergessen.
De Kandelaar – Wissenswertes auf dem Bauernhof
Ich cruise weiter durch das Land unter dem Meeresspiegel. Schier endlos erscheinen bunte Blumenfelder, was ein Anblick für die Seele! Einen kurzen Zwischenstop lege ich beim Bauernhof De Kandelaar, welcher auch gleich ein B&B ist, ein. Zur Tulpenzeit gibt es auf dem Hof eine Ausstellung zu Tulpen und Wissenswertes zur Zuiderzee. Auf Wunsch führt der Hausherr selbst durch die Ausstellung. Es ist zwar alles auf niederländisch, aber die Fotos sprechen für sich. Interessant zu verfolgen, wie die Polderentwicklung vollzogen wurde und mit welchen Mitteln die Niederländer zusätzliches Land gewannen.
Kulinarisch: Im Flantuas Tulpen auf dem Teller erleben
Wer sagt, dass man am Flughafen nicht gut essen kann? Ich bin mit Alida vom VVV Flevoland im Restaurant Flantuas verabredet – ich dachte auf einen Mittagsimbiss. Und wenn ich ehrlich bin, stelle ich mir diesen an einem niederländischen Flughafen mit Pommes und Frittiertem vor, nichts Großes und ein Stück Niederlande halt. Umso überraschter bin ich, wie köstlich es im Flantuas ist! Gerard und Wilma Flantua führen Ihr Restaurant in Lelystad schon seit vielen Jahren. Fast jeder Tisch ist besetzt. Stammgäste lieben es, hier für einen Plausch oder mit Freunden und Familie zum Essen einzukehren.
Die Terrasse begeistert mich. Wehmütig schaue ich auf den Regen, der auf die Blütenpracht von Wilmas Bruder niederprasselt. Ein Helicopter für einen Tulpenrundflug startet. Ich trotze dem Regen und schieße Tulpenfotos. Bei trockenem Wetter muss man hier wunderbar verweilen können.
Gerard war schon immer ein kreativer Koch. Neben klassischen Gerichten zaubert der Mann mit den lachenden Augen auch immer wieder gern ausgefallene Speisen. Zur Tulpenzeit gibt es ungewöhnliche und überraschende kulinarische Genüsse. Zu unserem Hauptgang Flevoländer Entenkeule gibt es Kartoffelpüree mit Tulpenknollen. Leicht nussig schmeckt diese extravagante Zwiebel und rundet perfekt die Ente ab. Der Nachtisch ist unübertrefflich! Zu selbst gemachtem Birnensorbet kreiert der Küchenchef einen süßen Sud aus Tulpenzwiebeln, Lorbeer, Zimt, Wacholder und Safran aus Krokussen. Letzteres wird mit mühevoller Handarbeit in der Region gewonnen.
Aber keine Angst: Wer nicht mit Gerards kulinarischen Experimenten abheben möchte kann in dem Flughafenrestaurant auch ganz bodenständig essen – wäre aber wirklich schade drum, probiert es aus!
Tulpen selbst pflücken
Um einen ganz anderen Genuss geht es auf den Feldern von Hannekes. Sie ist in Flevoland geboren und möchte auf Ihrem Bauernhof den Polder und die Tulpenpracht allen Gästen näherbringen und das auf eine ganz charmante Art. Ihre Augen leuchten als sie mir von ihrem Projekten und geliebten Tulpen erzählt.
Bei Hannekes Pluktuin kann man mit einem Körbchen ausgestattet durch Tulpenfelder flanieren. Für die heimische Vase sucht man sich die Tulpen aus, die einen besonders anlachen und zupft sie mit ganzer Zwiebel aus dem Boden. Damit halten die schönen Blumen länger für die Heimreise. Außerdem lassen sich die Knollen wieder einpflanzen und mit etwas Glück wachsen im nächsten Jahr Hannekes Tulpen dann zu Hause.
Der Anblick ist malerisch. Zwischen verschiedenen Grünpflanzen wachsen auch im vorderen Teil des Hofs Tulpen in üppigen Farben und Formen. Hanneke hat sich ein Paradies erschaffen. Gleich neben an picken gemütlich Hühner ihr Korn und werden vom Hofhasen besucht.
Der Tulpengarten ist ab April geöffnet. 250 verschiedene Sorten hat sie gepflanzt, manche blühen früh, manche etwas später. Die Zwiebeln erhält sie von Ihrer Schwester Annemieke, die ebenfalls einen Pflückgarten bei Lisse betreibt. Die French Tulpe ist die Lieblingstulpe der dreifachen Mutter und fast liebevoll streicht sie mit einem Lächeln über die Blätter. Ihre Leidenschaft ist ansteckend.
Ich soll eine hohe Vase wählen, gibt die Tulpenliebhaberin mir als Tipp mit, da die Pflanzen im Glas immer noch ein paar Zentimeter wachsen. Ich wünschte, wir hätten bei uns so eine Vielzahl von Sorten und Farben. Der bunte Mix weckt schon beim Hinsehen Frühlingsgefühle. „Jede Vase hat ihre eigene Party“, zwinkert mir Hanneke zu. Recht hat sie, auch ich liebe es, wenn Tulpen unregelmäßig wachsen und sich selbst jenseits jeder Norm ihren Weg suchen.
Ist die Tulpensaison vorbei kann man in Hannekes Pluktuin viele andere Blumen und Kräuter auf dem 1 Hektar großen Garten pflücken. Im Sommer soll auch ihr neustes Projekt realisiert sein: Das Café wird mit einem Glasbau erweitert.
Genussvolles Ausflugsziel De Polderzoom: Von der Kuh zum Käse
Eigentlich endet meine Tulpenroute mit dem Besuch in Hannekes Pflückgarten. Während wir ein wenig plauschen, essen wir Polderkaas, eine regionale Spezialität, die direkt vom Nachbarn kommt. Bei der Familie Van Wees kann man ebenfalls einkehren, so dass mein letzter Stop der Tulpenroute feststeht.
Seit mehr als 100 Jahren arbeitet die Familie Van Wees leidenschaftlich in ihrer Käserei. Besonders bekannt ist der Meshangerkaas, ein Käse aus frischer Wiesenmilch vom Polder, hergestellt nach traditionellen Familienrezept.
Im Hofladen kann ich mich bei der umfangreichen Auswahl kaum entscheiden und kaufe so einige Stücke in verschiedensten Geschmacksrichtungen des Polderzooms. Wer mag kann eine Führung durch die Käserei erhalten und anschließend vor Ort im modernen Café Käse verkosten.
Trotz Regen war es für mich ein phantastisches Wochenende! Ich freue mich schon auf die nächste Saison. Am besten plant Ihr den April fest ein! Auch ohne Tulpen lohnt sich ein Flevolandbesuch: Die Natur ist einzigartig und es gibt eine Menge zu entdecken. Dazu auch mehr in meinen kommenden Artikeln zu Lelystad, Urk und dem Weltkulturerbe Schokland.
Was Ihr noch erleben könnt
- Ausflug nach Lelystad mit Outlet, einer besonderen Werft und Kunst (Artikel folgt in Kürze)
- Urk und Schokland – Zwei Inseln, die zum Festland wurden
- Bootsfahrt auf dem Drontermeer und mit dem Boot durch Flevoland
- Strände erleben
- Mit dem Motorgleitschirm über den Tulpen schweben
- Ab in die Lüfte mit dem Helicopter
- Timetunnelgefühl gefällig: Wie wäre es mit einem Roller durch die Tulpenfelder?
- Kutschtour auf dem Nordostpolder
- Mit der Cessna über Tulpenfelder fliegen: Antje vom Blog Delicioustravel.de hat es gemacht!
Offenlegung: Zu meiner Reise wurde ich vom Toerisme Flevoland und dem Niederländischen Büro für Tourismus & Convention (NBTC) eingeladen. Ganz herzlichen Dank dafür. Danke für die Möglichkeit, diese schöne Region zu entdecken! Meine Meinung bleibt wie immer die eigene. Für den Beitrag erhielt ich kein Honorar.
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Ich liebe Tulpen über alles. Toller Artikel, sehr informativ. Vielen Dank!
Da sind wir schon zu zweit! Ich liebe Tulpen und sie läuten für mich immer den Frühling jedes Jahr zu Hause ein.
(auch wenn ich damit den Frühling innerlich immer etwas vorziehe ;-))
Oh man. Ich bin ganz schön neidisch. Habe dieses Jahr die Tulpen verpasst. Als ich los wollte schieb eine Freundin, dass sie in der Woche komplett alle geerntet wurden. Naja, die Gelegenheit kommt ja zum Glück wieder :) Danke aber für die schönen Eindrücke!
Danke für den lieben Kommentar :-)